Filmkritik: Deadpool

Der Filmnachrichtendienst Deadline schrieb vor wenigen Tagen, dass Tim Millers Deadpool endlich ein selbstironisches Licht auf die Welt der Superhelden werfe, was nicht nur Guardians of the Galaxy-Macher James Gunn dazu animierte, seine Meinung zu dieser Aussage kundzutun. Zweifelsohne hat der Autor der entsprechenden Zeilen bei Deadline Recht damit, dass die Welt der Superhelden nicht selten eine überaus düstere und ernste ist - hier geht es immerhin meistens nicht um weniger als das Schicksal der Menschheit. Doch vor allem die Geschichten um die Helden des DC-Universums, also Batman und Superman beispielsweise, sind diese düsteren Filme, MARVEL hingegen hat vor allem mit seinen Iron Man-Filmen, mit Ant-Man und eben Gunns Guardians of the Galaxy bestens demonstriert, dass Superhelden auch Menschen wie du und ich sein können.

Deadpool ist durchaus ein nochmal gänzlich anderer Superheld als die Kollegen Iron Man oder Ant-Man. Ersterer ist durch Robert Downey jr.s begnadete Darstellung die Inkarnation des arroganten, selbstverliebten Arschlochs, das zum Helden wird, Ant-Man dagegen der charmante Familienvater, der durch Paul Rudd den Charakter eines All-American-Heroes inne hat. Und Deadpool? Der ist ein rotzfrecher, versauter Rächer, der alle, die ihm auf seiner Suche nach dem Mann, der ihn in eine "von Freddie Krueger gefickte topografische Karte von Utah" verwandelt hat, in den Weg kommen abschlachtet. Ryan Reynolds musste lange für diesen Film kämpfen. Immer wieder versprach er den Fans einen dreckigen, brutalen Film - und hielt letztendliche sein Versprechen.

Der Film ist vollgepackt mit pubertären Witzen, abgetrennten Gliedmaßen und barbusigen Frauen. Und schafft es dennoch, nicht das flache Niveau einer amerikanischen Durchschnittskomödie zu erreichen. Das verdankt er allerdings vor allem seinem bestens aufgelegten Hauptdarsteller, der die Rolle seines Lebens spielt. Selbstironisch tänzelt er von Gegner zu Gegner, durchbricht die vierte Wand und spricht so direkt zum Publikum, fragt sich, ob Professor Xavier während der Filmhandlung gerade von Patrick Stewart oder James McAvoy gespielt werden müsse, zweifelt am Budget des Films und hat eine ganz spezielle Post-Credit-Szene auf Lager.

Deadpool macht definitiv sehr viel Spaß - und zwar vom innovativen Vorspann bis zu besagter Szene nach dem Abspann. Die Musikauswahl spielt dabei eine genauso wichtige Rolle wie die beiden Begleiter Deadpools, die X-Men Colossus und Negasonic Teenage Warhead. Sie sind ebenso schräge Sidekicks wie der indische Taxifahrer Dopinder oder Barkeeper Weasel. Morena Baccarin (als die Geliebte des Helden) und Ed Skrein (als dessen Gegenspieler) bleiben dagegen leider etwas blass und unterfordert, und überhaupt ist die Geschichte wesentlich unspektakulärer als es ihre Titelfigur ist. Darüber kann man aber durchaus hinwegsehen, wenn man sich eben auf Reynolds One-Man-Show, den derben Humor und die damit verbundene durchaus sehr unterhaltsame Inszenierung einlässt, die den Zuschauer grinsend und zufrieden aus dem Kinosaal entlassen sollte. 

★★★★☆


Originaltitel: Deadpool

Regie: Tim Miller
Drehbuch: Rhett Reese & Paul Wernick
Kamera: Ken Seng
Schnitt: Julian Clarke
Musik: Tom Holkenborg aka Junkie XL

Darsteller:
Ryan Reynolds ... Wade / Deadpool
Ed Skrein ... Ajax
Morena Baccarin ... Vanessa
T.J. MillerT.J. Miller ... Weasel
Brianna Hildebrand ... Negasonic Teenage Warhead
Karan Soni ... Dopinder
Stefan Kapicic ... Colossus
Gina Carano ... Angel Dust

USA|CAN 2015, 108 Min.
20th Century Fox | Marvel Entertainment
Kinostart: 11. Februar 2016
FSK 16

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