Filmkritik: All is Lost

Es ist schon ein bisschen wie verhext: Da rammt der namenlose Held des Films mit seiner kleinen Yacht 1700 Meilen vor Sumatra mitten in den Weiten des Indischen Ozeans einen Frachtcontainer (gefüllt mit billigen, asiatischen Schuhen) und läutet damit seine Tour-de-Force ein: Das Leck im Bug des Boots ist natürlich nicht der einzige Schicksalsschlag, den der Alleinreisende verkraften muss: Gewaltige Unwetter, Haie und scheinbar blinde Containerschiff-Kapitäne machen es dem alten Mann auf dem Meer nicht einfacher. Es ist erst der zweite Filme des 39-jährigen Amerikaners J.C. Chandor: Sein Debüt Der große Crash - Margin Call erhielt völlig überraschend eine Nominierung für das beste Drehbuch bei der Oscar-Verleihung 2012 (und musste sich dort Altmeister Woody Allen geschlagen geben) - All is Lost kann dem nun nacheifern und dank seines brillanten Hauptdarstellers punkten: Der 77-jährige Oscar-Preisträger (wohlbemerkt als Regisseur ausgezeichnet, nicht als Schauspieler) liefert in Chandors One-Man-Show eine intensive, bemerkenswerte Darstellung ab, die mit einer Golden Globe Nominierung honoriert wurde.

Redfords namenlose Figur leidet von der ersten Minute an, in der wir einen kurzen Monolog hören, in dem er sich entschuldigt - bei wem oder für was werden wir nie erfahren. Es soll der einzige Monolog bleiben, ansonsten darf er noch einmal einen Hilferuf in sein defektes Funkgerät abliefern und ein ausgedehntes, verzweifeltes "Fuck" brüllen - mehr wird in den 106 Minuten nicht gesprochen. Es ist zweifelsohne eine Meisterleitung des Alt-Stars, hier als einzige Figur über mehr als anderthalb Stunden einen Film zu tragen - ohne Dialoge, ohne Auswege und Ortswechsel. Nur Redford. Nur eine sinkende Yacht und später dann das kleine Rettungsschlauchboot. Sandra Bullocks Astronautin hatte in Gravity wenigstens noch (zeitweise) George Clooney an ihrer Seite, der junge Pi in Life of Pi hatte immerhin einen Tiger auf seiner wundersamen Reise (von den menschlichen Nebenfiguren in Prolog und Epilog ganz zu schweigen). Doch der einsame Schiffbrüchige in All is Lost hat niemanden. Das kommt am ehesten noch Tom Hanks Figur in Cast Away nahe, doch auch hier gibt es Pro- und Epilog mit anderen Figuren und auf der Insel kann er sich immerhin frei Bewegen und hat - nun ja - den Volleyball Wilson an seiner Seite. Hier aber sehen wir ausschließlich Robert Redford leiden, weinen, fluchen und kämpfen.

Inszenatorisch ist Chandors Film vielleicht nicht ganz so überzeugend wie sein großer Hauptdarsteller, denn die 106 Minuten können sich durchaus an der einen oder anderen Stelle etwas ausdehnen, vor allem beim zweiten Unwetter und beim erneuten fehlgeschlagenen Versuch, bei einem Frachtschiff auf sich aufmerksam zu machen. Es ist ein bisschen "zu viel" Pech, das der Schiffbrüchige hier erleiden muss - wenn man das so sagen kann. Die Bilder von Frank G. DeMarco - trotz starker Nähe zur Redfords Figur mutig in Cinemascope gedreht - sind meistens gut, auch wenn bei den Unwettersequenzen deutlich sichtbar wird, dass hier vor Blue-Screens gedreht wurde und die Hektik, die vor allem in der ersten halben Stunde vorherrscht, durchaus Desorientierung beim Zuschauer entstehen lassen kann. Die Musik von Alex Ebert (ebenfalls Golden Globe nominiert) ist zurückhaltend und unterstützt mitsamt des dauerhaft präsenten Meeresrauschens eine hypnotische, fesselnde Stimmung, die bis zum Ende bestehen bleibt, wenn der alte Mann seine gewissermaßen letzte Reise antritt.

★★★★☆


Originaltitel: All is Lost

Regie:
Drehbuch:

Kamera: Frank G. DeMarco

Darsteller:
... Our Man


USA 2013, 106 Min.
Universum
Kinostart: 09.01.2014
FSK 6


Trailer:

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