Filmkritik: In einem Land vor unserer Zeit

"Es war einmal auf dieser Erde. Unter derselben Sonne. Lange vor euch. Vor dem Affen und auch dem Elefanten. Vor dem Wolf, dem Bison, dem Wal, vor dem Mammut und dem Mastodon. Zur Zeit der Dinosaurier." So beginnt Don Bluths In einem Land vor unserer Zeit - und noch heute, genau 30 Jahre nachdem es Littlefoot, Cera, Ducky, Petrie und Spike waren, die mich beim ersten Kinobesuch meines Lebens begleiteten, ist das der Moment, in dem ich auf dem Sofa sitze und vor Begeisterung strahle, 70 Minuten lang Gänsehaut und feuchte Augen habe und jeden einzelnen Satz des Films mitspreche. Der Film, den ich jetzt im Rahmen der "Filmklassiker im Metropolis" zum 15. Mal (!) im Kino und insgesamt vermutlich über 50 Mal gesehen habe, ist zweifelsohne ein Teil meiner Kindheit, wenn nicht gar meines Lebens geworden - und der erste Grund gewesen, warum ich Filme so liebe.

Die älteste Kinokarte, die ich noch besitze ist zufälligerweise
die zur Wiederaufführung von In einem Land vor unserer Zeit.
Die Geschichte um den kleinen Brontosaurus Littlefoot spielt in einem längst vergangenen Zeitalter, in dem die Dinosaurier über die Erde geherrscht haben. Grollende Vulkane und gefährliche Erdbeben lassen das Land veröden und sorgen für immer weniger Nahrung für die Pflanzenfresser. Wie viele andere Herden machen sich auch Littlefoot, seine Mutter und seine Großeltern auf den Weg in das vielversprechende Große Tal, in dem es noch Nahrung im Überfluss geben soll. Doch nachdem ein hungriger Tyrannosaurus (genannt Scharfzahn) Littlefoots Mutter getötet hat und der kleine Langhals von seinen Großeltern getrennt wurde, muss er sich alleine auf die Suche nach dem Großen Tal begeben. Zu seinem Glück trifft er schon bald auf gleichgesinnte junge Freunde: Zusammen mit der mürrischen Cera, der lebensfrohen Ducky, dem flugscheuen Petrie und dem stummen Spike macht sich Littlefoot auf eine lebensgefährliche, abenteuerliche Reise.

Die Heldenreise der jungen Dinosaurier ist eine Lehrstunde in Sachen Freundschaft, Zusammenhalt, Hoffnung und Vertrauen. Doch zunächst einmal wird der (junge wie auch erwachsene) Zuschauer mit dem Tod von Littlefoots Mutter konfrontiert. In der dramatischen, spannenden Szene, in der der Scharfzahn Littlefoot und Cera angreift und Littlefoots Mutter beim Rettungsversuch tödlich verletzt wird, zeigt sich der wirkliche Ton des Films: Bei allem Humor (der vor allem durch Ducky, Petrie und Spike in die Geschichte gebracht wird), überwiegt eine düstere, aber niemals hoffnungslose Grundstimmung den Film. "Lass dich von deinem Herzen führen. Es flüstert... also hör gut hin", sind die letzten Worte von Littlefoots Mutter. "Manche Dinge siehst du mit deinen Augen, andere siehst du mit deinem Herzen." Und so wird Littlefoot schon bald begreifen, dass er seine Mutter nie wieder sehen - sie aber dennoch immer bei ihm sein wird. Diese zutiefst traurige Szene treibt mir auch heute noch Tränen in die Augen. Und es bleibt nicht bei dieser einen Szene.

Man muss sich fragen, wie brutal, spannend oder traurig die erste Schnittfassung des Films gewesen sein muss: Die Produzenten Steven Spielberg und George Lucas wiesen Regisseur Don Bluth damals an, mehr als 10 Minuten (!) aus dem Film herauszuschneiden, da sie fanden, diese Szenen würden das jüngere Publikum eventuell verstören. Leider gibt es bis heute keine Filmfassung mit den entfallenen Szenen. Dennoch weiß man, was es in etwa darin zu sehen gab: Vor allem weiterte Angriffe des Scharfzahns sollen der Schere zum Opfer gefallen sein. Auch der Tod von Littlefoots Mutter soll noch (!) expliziter gezeigt worden sein (in der veröffentlichten Fassung sieht man einen Teil des Kampfes zwischen ihr und Scharfzahn als Schattenspiel an einer Felswand). Und auch das Ende ist ursprünglich ein wenig anders gewesen, da eigentlich Littlefoot alleine das Große Tal gefunden hatte und danach nochmal zu Cera und den anderen zurückgekehrt ist, die gerade wieder in den Kampf mit Scharfzahn verwickelt waren.

Littlefoot und ich - 1989 und 2014.
Ein immens wichtiger Bestandteil des Films ist auch die grandiose Filmmusik von Oscar-Preisträger James Horner (Titanic, Braveheart), die den Zuschauer mit jedem Ton und jeder Note auf eine Reise in eine andere Zeit mitnimmt. Die Musik alleine sorgt schon für Gänsehaut und feuchte Augen. Diana Ross' "If we hold on together" ist schließlich der emotionale Schlusspunkt des Films. Es waren natürlich die Dinosaurier, die mich damals (wie heute) faszinierten, aber ob es wirklich nur das war, was mich dazu brachte, In einem Land vor unserer Zeit so oft zu sehen wie keinen anderen Film (nicht einmal die erste Star Wars Trilogie habe ich so oft gesehen), kann ich heute gar nicht (mehr) sagen. Zweifelsohne ist Don Bluths Film einer der emotionalsten, düstersten, traurigsten - aber eben auch schönsten, hoffnungsvollsten und lustigsten Animationsfilme aller Zeiten. Und kaum ein anderer Kinderfilm hat sich so direkt und intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt.

In einem Land vor unserer Zeit ist ein großes, immens wichtiges Stück meiner Kindheit, das mich damals wie heute begeistert. Ein emotionales Abenteuer über Freundschaft, Zusammenhalt und Mut, traurig-düster, aber dennoch hoffnungs- und humorvoll, mit lehrreichen Zitaten und dank der liebevollen Figuren und des epischen Scores von James Horner nicht nur der erste Film, den ich je im Kino gesehen habe, sondern auch der Film, den ich so oft wie keinen anderen gesehen habe - und den ich mir immer und immer wieder ansehen werde. Und immer wieder werde ich strahlen und mit Gänsehaut und feuchten Augen dasitzen und mich hineinziehen lassen, in ein Land lange vor unserer Zeit...

Erstmals veröffentlicht am 4. Juni 2014.

★★★★★


Originaltitel: The Land Before Time

Regie: Don Bluth
Drehbuch: Stu Krieger
basierend auf einer Story von Judy Freudberg & Tony Geiss
Produzenten: Steven Spielberg, George Lucas, Frank Marshall, Kathleen Kennedy, Gary Goldman & Don Bluth
Musik: James Horner

Darsteller:
Gabriel Damon ... Littlefoot
Candace Hutson ... Cera
Will Ryan ... Petrie
Judith Barsi ... Ducky
Helen Shaver ... Littlefoots Mutter
Bill Erwin ... Großvater
Pat Hingle ... Rooter / Erzähler

USA/IRE 1988, 69 Min.
Universal Pictures
Kinostart: 22.06.1989
FSK 6

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