Filmkritik: Der Hobbit - Die Schlacht der fünf Heere

Es soll das letzte Mal gewesen sein, dass Kinogänger mit Peter Jackson nach Mittelerde reisen können. Nach einer rund 15 Jahre andauernden Reise (alles begann Ende der 90er Jahre mit der Vorproduktion zur Herr der Ringe-Trilogie, die 2001 ihren Kinostart hatte) endet es nun mit Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere. Und auch wenn der Abspann nach 144 Minuten mit Billy Boyds wunderschönem "The Last Goodbye" beginnt, muss man zugeben: Die Reise hätte schon viel früher enden müssen. Denn vor allem im letzten Film der Hobbit-Trilogie wird nun mehr als deutlich, dass man ein dünnes Jugendbuch nicht in ein 9-stündiges Epos übertragen kann. Und genau das ist dann letztendlich eines der größten Probleme von Peter Jacksons zweiter Mittelerde-Trilogie.


325 Seiten hat J.R.R. Tolkiens Der Hobbit. 542 Minuten Laufzeit haben Peter Jacksons drei Hobbit-Filme Eine unerwartete Reise, Smaugs Einöde und der nun letzte von insgesamt sechs Mittelerde-Filmen Die Schlacht der fünf Heere in ihren Extened Editions. Fast zwei Minuten pro Buchseite hat Jackson sich Zeit genommen, die stringente, klassische Heldenreise des Hobbits Bilbo (Martin Freeman) zu erzählen. Und da Jackson kein naiver Neuling ist, war auch ihm klar, dass das so nicht funktionieren kann. Was die Konsequenz daraus ist, sieht der Zuschauer seit 2012 auf der Kinoleinwand: ausgedehnte Nebenhandlungen, neue Charaktere oder alte Figuren, die eigentlich gar nicht in der Geschichte auftauchen. Gerade letzteres ist für die Anhänger der Herr der Ringe - Reihe natürlich schön anzusehen, ist aber letzten Endes doch nicht notwendig. Auch die Elbin Tauriel (Evangeline Lilly), die es bei Tolkien nicht gibt, bringt im Grunde wenigstens ein bisschen weiblichen Heldenmut in die ansonsten sehr männerlastige Geschichte, ist aber dennoch keine Figur, die man auf irgendeine Weise so ins Herz schließt, wie fast jeden Charakter aus dem Herr der Ringe.

Und das ist dann das vermutlich noch viel gravierendere Problem der drei Hobbit-Filme: Die Figuren sind einem fast allesamt egal. Wir wissen, dass unsere Helden aus dem Herr der Ringe (wie Bilbo, Gandalf oder Galadriel) nicht sterben werden, müssen uns also auch nicht wirklich um sie sorgen. Und von den neuen Figuren, den Zwergen um Thorin Eichenschild (Richard Armitage) oder Bard (Luke Evans), dem menschlichen Helden aus der Seestadt, bleibt einfach zu keiner Zeit ein solch bleibender Eindruck zurück, wie man ihn von Eowyn, Eomer oder Faramir im Herr der Ringe bekommen hatte. Als dort Theoden stirbt, ist man den Tränen nahe. Als Sam seinen Herrn Frodo anfleht, am Rande des Schicksalsberges nicht aufzugeben, kullern mehr als zwei Tränen und als Aragorn "Für Frodo" heraushaucht sitzt auch der härteste Mann heulend vor dem Bildschirm. Und beim Hobbit? Da ist einem irgendwie tatsächlich mehr oder weniger egal, wenn jemand stirbt. Es gibt einfach keine solch starke Verbindung zwischen dem Zuschauer und auch nur einem der dreizehn Zwerge (wobei man hier Balin vielleicht noch am ehesten nennen könnte), wie eben zu Eowyn oder Gimli (immerhin auch ein Zwerg!) und Aragorn. Und so gleitet man doch recht emotionslos durch die Geschichte - was beim Herr der Ringe einfach nicht möglich gewesen wäre.

Es gibt genau eine Stelle im Film, die wirklich an eine der emotionalen, wunderschönen Szenen aus Peter Jacksons erster Mittelerde-Trilogie erinnert: Wenn sich Bilbo am Ende des Films von den Zwergen verabschiedet und mit Gandalf gen Auental zieht, ist das der emotionalste Moment des Films. Und der wird vor allem, und das wäre dann der nächste Kritikpunkt an der gesamten Hobbit-Reihe, durch Howard Shores Score hervorgerufen. War in der Herr der Ringe - Trilogie die Filmmusik noch das elementar wichtige, emotionale Rad der Geschichte, ist Shores Score für den Hobbit leider insgesamt recht einfallslos und kühl geraten. Kaum emotionale Höhepunkt, keine wirklich packenden Themen, sei es Orten oder Figuren zugeordnet. Immer dann, wenn wir die Hobbits im Auenland (Concerning Hobbits) und den Ring (Gollums Ringthema) sehen oder die Elben in Bruchtal (das Elbenthema) erscheinen, eben immer dann, wenn Elemente aus dem Herr der Ringe erscheinen, greift Shore auf seine alten Kompositionen zurück - und verdeutlicht dem Zuschauer somit auch mehr als deutlich, dass diese Stücke weitaus schöner und kreativer waren, als die neuen Werke zum Hobbit. Hier gibt es meist nur düstere Themen, vom Seestadt-Thema oder dem Titelthema aus Eine unerwartete Reise vielleicht einmal abgesehen. Shores Musik war unglaublich wichtig für die Emotionen im Herr der Ringe - hier fehlt es leider an solch mitreißenden Stücken.

Keine Frage, Peter Jackson versteht es wie vermutlich kein anderer, eine vollkommen in sich geschlossene, homogene und wunderschöne Fantasiewelt zu erschaffen. Mittelerde ohne Neuseeland ist demnach auch gar nicht mehr vorstellbar - und jeder, der selbst einmal dort gewesen ist, wird das Land am anderen Ende der Welt in Mittelerde wiederfinden - selbst dann, wenn Jackson und sein Effekte-Team auch hier wieder eine unzählbare Menge an visuellen Effekten eingebaut haben. Wie in den beiden Vorgängern ist auch hier die CGI-Lastigkeit offensichtlich. Auch im Herr der Ringe wurde natürlich nicht an Animationen gespart, aber man wird das Gefühl nicht los, dass dort noch mit wesentlich mehr praktischen Effekten, Modellen oder real gebauten Sets gearbeitet wurde. Immerhin ist es in Die Schlacht der fünf Heere an vielen Stellen nicht mehr ganz so schlimm wie noch in den beiden letzten Teilen, doch auch hier ist vor allem die Tatsache, dass man fast jeden Ork und jeden Elb computeranimiert hat, sehr schade und geradezu ärgerlich, da man den Unterschied gerade im Vergleich mit den vielen "echten" Orks und Elben aus der Ringe-Trilogie doch mehr als deutlich sieht. Davon abgesehen sind die Effekte natürlich gut, die Bilder gewaltig und der Sound bombastisch.

Inhaltlich beginnt der Film rasant und imposant mit dem Angriff des Drachen Smaug auf die Seestadt. Hier ist man binnen Sekunden in der Handlung drin (die erstmals, das könnte sich mit der Extended Edition aber natürlich noch ändern, nicht mit einem Flashback beginnt) und hat durchaus Spaß an Smaug und seiner Feuerkraft. Auch der Kampf des weisen Rates um Galadriel, Elrond und Saruman, die dem gefangenen Gandalf in Dol Guldur zu Hilfe eilen und den wiedererwachten Sauron verjagen, ist packend und visuell eindrucksvoll. Doch danach verfällt die Geschichte in eine Art Starre, die Zwerge suchen halbherzig den Erebor nach dem Arkenstein ab, den Bilbo schon seit Smaugs Einöde heimlich an sich genommen hat, die Menschen der zerstörten Seestadt ziehen nach Thal zurück und Legolas (Orlando Bloom) und Tauriel erkundschaften Gundabad im Norden, wo eine weitere Orkarmee kampfbereit steht. All das ist zweifelsohne Lückenfüller für die zwar durchaus epische, am Ende aber doch zu lange große Endschlacht der titelgebenden fünf Heere am Fuße des Erebors. Nach der Schlacht geht dann alles sehr schnell: Bilbos Abschied fällt mehr als flüchtig aus, die Rückkehr nach Hobbingen bekommt man im Grunde gar nicht mehr zu sehen und am Ende kommt Bilbo gerade noch rechtzeitig nach Hause, um die Versteigerung seiner Hobbithöhle und deren Inventars zu verhindern. Für Jacksons Verhältnisse war das ein recht kurzes, schnelles Ende, das in der Extended Edition vermutlich etwas ausführlicher sein wird, aber immerhin gibt es zwei kleine Übergänge, beziehungsweise Hinweise auf den Herr der Ringe, was den Übergang zwischen den beiden Trilogien etwas flüssiger, wenn auch nicht perfekt macht. Letztlich wird von 144 Minuten gut die Hälfte gekämpft, während es noch nie in einem Mittelerde-Film so wenige verschiedene Schauplätze gab wie hier.

Und wenn nach drei Hobbit-Filmen dann auch keine wehmütig-traurige Stimmung aufkommt, muss man sich einfach fragen, ob man mit Jacksons (ohne Frage imposanten) Inszenierungstalent einfach nicht mehr so viel anfangen kann wie früher noch, oder ob die Filme einfach wirklich zu sehr die erste Mittelerde-Trilogie kopieren wollten - und daran maßlos gescheitert sind. Es wäre besser gewesen, man wäre beim ursprünglichen Plan, zwei und nicht drei Filme aus der Buchvorlage zu machen, geblieben... oder man hätte gar nur einen einzigen Film gemacht - ohne neue Figuren oder unnötige Nebenhandlungen wie dem immerzu nervigen Alfrid, der oftmals arg konstruierten Liebesgeschichte zwischen Elbin Tauriel und Zwerg Kili oder der viel zu langen reinen Zwergenunternehmungen. Immerhin heißen Buch und Filme immer noch Der Hobbit und handeln von Bilbos Abenteuern. Ob es wirklich Peter Jacksons letzte Reise nach Mittelerde war? Man mag es kaum glauben, bietet doch beispielsweise Tolkiens Silmarillion den perfekten Stoff für weitere Filme...

★★★☆☆


Originaltitel: The Hobbit: The Battle of the Five Armies

Regie: Peter Jackson
Drehbuch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens & Guillermo del Toro
nach dem Buch von J.R.R. Tolkien
Kamera: Andrew Lesnie
Musik: Howard Shore

Darsteller:
Martin Freeman ... Bilbo Beutlin
Ian McKellen ... Gandalf der Graue
Richard Armitage ... Thorin Eichenschild
Evangeline Lilly ... Tauriel
Orlando Bloom ... Legolas
Luke Evans ... Bard
Benedict Cumberbatch ... Smaug / Nekromant
Lee Pace ... Thranduil
Bret McKenzie ... Lindir
Sylvester McCoy ... Radagast
Ian Holm ... Bilbo Beutlin (alt)
Cate Blanchett ... Galadriel
Hugo Weaving ... Elrond
Christopher Lee ... Saruman
Aidan Turner ... Kili
Dean O'Gorman ... Fili
Ken Stott ... Balin
James Nesbitt ... Bofur
Graham McTavish ... Dwalin
Ryan Gage ... Alfrid
Stephen Fry ... Bürgermeister von Seestadt
Billy Connolly ... Dain
Mikael Persbrandt ... Beorn
Manu Bennett ... Azog

NZ/USA 2014, 144 Min.
Warner Bros.
Kinostart: 10. Dezember 2014
FSK 12

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