Filmkritik: Almanya - Willkommen in Deutschland

Endlich mal wieder ein deutscher Film mit Stil! Das werden sich wohl die meisten Zuschauer von Almanya gedacht haben, nachdem mit Bernd Eichingers letzter Produktion Die Superbullen wiedermal eine deutsche, geschmacklose Komödie zu Recht gefloppt ist.

Almanya hingegen hält sich konstant erfolgreich dank Gute-Laune-Atmosphäre, tollen Farben und Bildern und einer Thematik, die sicherlich an sich nicht ganz einfach zu bewältigen ist, in der Regisseurin Yasemin Samdereli allerdings eine Frau findet, die dem Film gegenüber die angemessene Behutsamkeit und Leichtigkeit mitbringt.

Es handelt sich um die Geschichte des 1.000.001sten (!) türkischen Gastarbeiters in Deutschland. Schräg genug, wie die Geschichte beginnt, geht sie auch weiter: Vierzig Jahre später hat Hüseyin Yilmaz (jung: Fahri Ögün Yardim, alt: Vedat Erincin) zwei Enkelkinder, er selbst hat vier Kinder (von denen das letzte in Deutschland geboren ist und nur ein wenig Türkisch spricht): Eines blieb Junggeselle, der andere lebt getrennt, das Mädchen ist verwitwet und hat eine gerade so erwachsene Tochter, der jüngste Sohn, Ali (Denis Moschitto), hat eine kleine Familie mit seiner deutschen Frau Gabi (Petra Schmidt-Schaller) und dem kleinen Sohn Cenk (Rafael Koussouris).

Ein riesiges Getümmel bei Familienfeiern also, Panik zwischen deutscher und türkischer Sprache und zwischendrin plötzlich die Ansage des Familienältesten: Er hat ein Haus in der Türkei gekauft und will, dass die ganze Familie mit ihm dort hinfährt!!!

Die Familienmitglieder: Geschockt und demotiviert! Und doch: die Reise in die Türkei wird aufgenommen, für einige Familienmitglieder zum ersten Mal in ihrem Leben, für andere zum letzten Mal.

Und zwischen all diesem bunten Treiben beginnt die junge Canan (Aylin Tezel), Enkelin von Hüseyin, dem kleinen Cenk, ihrem Cousin, von der Auswanderung der Familie nach Deutschland zu erzählen.


Die Geschichte gestaltet sich als besonders lustig filmisch umgesetzt, da die Figuren in der Geschichte am Anfang türkisch reden, wodurch Cenk sie nicht verstehen kann, da er von seinen Eltern niemals Türkisch gelernt hat, und ihnen ‚befiehlt‘ deutsch zu reden – der lustige Nebeneffekt: Die Menschen in der Geschichte, die deutsch sprechen, reden von nun an ein witziges Kauderwelsch, das selbst Deutsche nicht mehr verstehen! (Ganz besonders witzig: „O Tannenbaum“ auf Deutsch aus türkischer Sicht!)

Die Geschichte zeigt, wie schwer es Familie Yilmaz in Deutschland hatte: Die neue Wohnung, völlig ungewöhnliche Toiletten, der klägliche Versuch der Mutter in Deutschland einzukaufen, die Kinder, die sich Weihnachten wünschen, und die kleine Tochter Leyla (Aliya Artuc), die sich so gerne Müllfrau werden will – eine filigrane Beschäftigung mit den kleinen Problemen, die (neben den großen) doch ebenfalls das Leben der Einwanderer dominierten: Eine Abfertigung an große und kleine Klischees (in Deutschland gibt es ganz viel Coca Cola!)


Almanya ist eine Familienkomödie in der Art von Affären à la Carte, märchenhaft romantisch wie Das Geheimnis von Green Lake, und irgendwie auch Little Miss Sunshine auf Türkisch – ein bunter Mix aus Amüsement oder Trauer sind garantiert – viel mehr darf jedoch gar nicht verraten werden, denn die Geschichte der Familie Yilmaz verspricht so viele Wendungen zu nehmen wie nur möglich.
Die Frage, die sich hierbei immer wieder stellt ist: Wer darf die Rede vor Angela Merkel halten?

Ein Film voller klitzekleiner Elemente, die sich ergänzen zu einem Kunststück von deutscher – oder doch türkischer? – Filmografie.

(geschrieben von Laura Mücke)

★★★☆☆


Originaltitel: Almanya - Willkommen in Deutschland

Regie:Yasemin Samdereli
Kamera: The Chau Ngo

Darsteller:
Vedat Erincin ... Hüseyin Yilmaz (alt)
Lilay Huser ... Fatman Yilmaz (alt)
Aylin Tezel ... Canan Yilmaz
Denis Moschitto ... Ali Yilmaz
Fahri Ögün Yardim ... Hüseyin Yilmaz (jung)

D 2011, 101 Min.
Concorde Filmverleih
Kinostart: 10.03.2011
FSK 6

Trailer:


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