Filmkritik: Greatest Showman
P.T. Barnum war ein Visionär. Er sah Dinge, die sich keiner vorstellen konnte, als er 1841 das American Museum in New York übernahm und es zu einem der größten Unterhaltungsspektakel des 19. Jahrhunderts umfunktionierte. Wachsfiguren, Kuriositäten und schließlich auch menschliche "Ungeheuerlichkeiten" - vom kleinwüchsigen Mann hin zur bärtigen Dame. Jede Neuerung pries er in Tageszeitungen als "Sensation" an und verteilte tausende Werbeflyer. Er nutzte sein Potential - und das seines Schaffens. Doch jedes Leben hat seine Schattenseiten. Und von denen erzählt Michael Graceys Filmbiografie Greatest Showman. Hugh Jackman schlüpft darin in die Rolle des Erfinders des Showbiz und überzeugt auch gesanglich einmal mehr.
Gesanglich muss er vor allem deswegen überzeugen, da der Film ein knallbuntes, prächtig ausgestattetes Musical ist, bei dem man nicht selten an Big Fish oder Moulin Rouge! denken muss. Die Vergleiche zu Letzterem, dem surrealistisch inszenierten Meisterwerk von Baz Luhrmann, liegen auf der Hand: Da ist der überdimensionale Mond, der wie von Hand an den Himmel empor gezogen wird. Da tanzen Barnum und seine Frau Charity (wunderbar wie immer: Michelle Williams) auf dem Hausdach zwischen weißen Bettlaken, die sich im Takt mitbewegen. Und schon in den ersten Sekunden, als das Logo von Filmverleih Twentieth Century Fox zunächst nicht in altbekannter Version, sondern in einer sehr frühen aus dem Zeitalter des Classical Hollywood der 1950er Jahre erscheint, wird klar: Greatest Showman will nostalgisch und over-the-top sein. Das schafft der Film auch sehr gut - außer dann, wenn gesungen wird. Denn die Songs der La La Land - Oscar-Preisträger Benj Pasek und Justin Paul sind modern, hip und alles andere als "classical". Doch glücklicherweise funktionieren sie bestens: Wenn Zac Efron, der Barnums Geschäftspartner spielt, und Hugh Jackman in einer Kneipe eine heiße Sohle aufs Parkett legen klingt das nach 21. Jahrhundert - und doch tragen die beiden Männer Anzüge, wie sie die Herren vor knapp 200 Jahren getragen haben. Auch hier liegt der Vergleich zu Moulin Rouge! natürlich nahe, da Luhrmann immerhin moderne Popballaden in sein Musical einbaute, das zur Wende zum 20. Jahrhundert spielt.
Insgesamt überzeugen die 11 Original-Songs durch die Bank weg, vor allem die beiden weiblichen Solo-Nummern, This is me von der tollen Keala Settle gesungen sowie Never enough von The Voice - Teilnehmerin Loren Allred, die im Film als Singstimme von Rebecca Ferguson zu hören ist. Mit Ausnahme von Ferguson, die die weltbeste Opernsängerin ihrer Zeit spielt, singen natürlich alle Darsteller selbst. Dass Jackman singen kann, bewies er schon in Les Misérables und mit seiner Eröffnungsnummer der Oscar-Verleihung vor einigen Jahren. Doch auch Jackman kommt nicht an die beeindruckende Stimme eines Zac Efron heran, der zehn Jahre nach High School Musical und Hairspray endlich mal wieder sein Gesangstalent (das sich sogar noch perfektioniert hat) beweisen darf. Auch Zendaya hat eine fantastische Stimme und ist zudem noch eine hervorragende Tänzerin.
Leider erfahren wir über Barnum als Menschen für eine Filmbiografie etwas zu wenig. Sein Konflikt mit der reichen Oberschicht, der Ruhm, der ihm wichtiger zu sein scheint, als Freunde und Familie, und vor allem das Verhältnis zu seiner Frau werden leider immer nur am Rande angekratzt und hätten noch einiges mehr an Dramaturgie geboten. So bleibt der Film leider inhaltlich sehr gradlinig, führt die Protagonisten zu schnell von Problem zu Problem und weiter zu deren Lösung. Der Film ist mit 105 Minuten nicht übermäßig lang, etwas mehr ausgearbeitete (songfreie) Handlungssequenzen hätten hier sicherlich nicht geschadet - vor allem, da es sich bei P.T. Barnum ja um eine reale Persönlichkeit handelt.
Nichtsdestotrotz ist Greatest Showman ein opulent ausgestattetes Musical, das mit seinen tollen Darstellern, den wunderbaren Songs und dem schönen Setting überzeugt und einfach Spaß macht.
Originaltitel: The Greatest Showman
USA 2017 | Twentieth Century Fox | 105 Minuten | FSK 6 | D-Start: 4. Januar 2018Regie: Michael Gracey | Drehbuch: Jenny Bicks & Bill Condon | Kamera: Seamus McGarvey | Schnitt: Tom Cross, Robert Duffy, Joe Hutshing, Michael McCusker, Jon Poll, Spencer Susser | Musik: John Debney, Benj Pasek, Justin Paul | Darsteller: Hugh Jackman, Zac Efron, Michelle Williams, Rebecca Ferguson, Zendaya, Keala Settle, Fredric Lehne
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