Filmkritik: Drive


Der namenlose Fahrer (Ryan Gosling, The Ides of March; Stay; Lars und die Frauen) greift tritt mit aller Gewalt auf den Kopf eines fremden Mannes ein, der am Boden eines Fahrstuhls liegt. Er tritt und tritt, bis die Schädeldecke platzt und er auf das Gehirn selbst tritt. Der Zuschauer sieht alles davon. Jedes Detail.

Filme wie Drive sind es, die Fragen nach Sinn und Notwendigkeit von Gewaltdarstellungen im Film gerechtfertigen. Warum muss man sehen, wie der Kopf zerplatz, als eine Shotgun ihn zerkleinert? Warum all das Blut und die Gewalttaten? Im Falle von Nicolas Winding Refn, dem dänischen Kultregisseur von Filmen wie Bronson und Valhalla Rising, beides auch schon sehr harte Filme, lässt sich das wohl so erklären, dass der exzentrische Filmemacher die Gewalt und das Blut als filmisches Stilmittel ansieht und es zur optischen Anreicherung seiner Filme nutzt. Doch irgendwie sind diese Gewaltdarstellungen ziemlich fehl am Platze.

Während der Film nämlich stimmungsvoll, unterlegt mit einem smoothen Soundtrack und starken Nachtbildern von Los Angeles beginnt und den coolen Fahrer in den Film einführt, wirkt Drive noch wie ein visuelles Paradebeispiel für Stil und Kunst. Auch Ryan Gosling macht seine Sache gut, als wortkarger Alleingänger ohne Freunde und immer mit einem Zahnstocher im Mund. Doch wo der Film an Dialogen spart (dafür ist er eine Viertelstunde zu lang geraten) - eine durchaus gute Idee - geizt er nicht mit Klischees des Gangsterfilms: Neben der übertriebenen Gewalt gibt es da die dümmlichen Mafiabosse (Ron Perlman und Albert Brooks - warum nochmal wurde für ihn eine Oscarnominierung gefordert?), den typischen Puffbesuch mit nackten Frauen und eine plakative, unmotivierte Liebesgeschichte mit einer weit unter ihren Fähigkeiten spielenden Carey Mulligan (An Education; Alles, was wir geben mussten).

Inhaltlich ist Drive in der Tat eine leere Hülle an nicht erfüllten Versprechungen, ein enttäuschender Klischee-Actionfilm, der zwanghaft zum Kultfilm avancieren will. Das schafft er - davon mal abgesehen - auch garantiert, dafür ist die Musik zu cool, Gosling zu lässig und die Bilder zu atmosphärisch passend. Aber der Kern des Film, die Essenz, ist dünn und schwächlich, denn mehr als eine halbgare Liebe zu seiner alleinerziehenden Nachbarin, deren Mann ein gerade aus dem Knast entlassener Kleinganove ist, der nun Ärger mit der Mafia bekommt und deswegen Blut fließen muss... ja, mehr hat Drive leider nicht zu erzählen. Und das ist einfach nicht genug, um wirklich herausragend zu sein - oder gar ein echter Kultfilm.

★★☆☆☆




Originaltitel: Drive

Regie: Nicolas Winding Refn
Drehbuch: Hossein Amin
Kamera: Newton Thomas Sigel

Darsteller:
Ryan Gosling ... Fahrer
Carey Mulligan ... Irene
Bryan Cranston ... Shannon
Albert Brooks ... Bernie Rose
Oscar Isaac ... Standard
Christina Hendricks ... Blanche
Ron Perlman ... Nino

USA 2011, 100 Min.
Universum
Kinostart: 26.01.2012
FSK 18

Trailer:



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