Filmkritik: Unbroken

Das Leben erzählt die schönsten Geschichten, das war schon immer so. Kriege wiederum erzählen die grausamsten Geschichten, von Leid, Schmerz, Verlust und Tod. Und doch gibt es immer wieder Geschichten, die von Mut und Zusammenhalt handeln, von Widerstand und Kraft. Der Leidensweg von Louis Zamperini, der im Juli 2014, kurz vor Fertigstellung von Unbroken im Alter von 97 Jahren starb, ist einer, den man nur schwer glauben mag - weswegen Angelina Jolies Film auch damit zu kämpfen hat, hier einen realistischen Helden zu zeigen - obwohl er auf einer realen Figur basiert.
Im Mai 1943 stürzt das Flugzeug mit Zamperini (Jack O'Connell, Mauern der Gewalt, '71) über dem Pazifik ab, nur der ehemalige Olympionike und zwei andere Crewmitglieder überleben. 47 Tage lang treiben sie über das offene Meer, ernähren sich von selbst gefangenen, rohen Fischen und Vögeln, trinken gesammeltes Regenwasser. Nach dem Mac (Finn Wittrock, Noah) seinen Verletzungen erlegen ist, werden die beiden von einem japanischen Kriegsschiff aufgelesen. Zamperini und Phil (Domnhall Gleeson, Star Wars: Das Erwachen der Macht, Alles eine Frage der Zeit) werden in ein Auffanglager für Kriegsgegner Japans gebracht, wo ihr Leidensweg noch schlimmere Ausmaße annimmt, als die anderthalb Monate auf offener See für sie schon gewesen waren. Schließlich trennt man die beiden Freunde noch, und Zamperini wird zum persönlichen Erzfeind des japanischen Lager-Kommandeurs Watanabe (Takamasa Ishihara in seinem Filmdebüt) auserkoren.

Von Anfang an bemerkt man die Schwächen in Jolies Inszenierung: Inmitten einer spannenden Situation in der Kriegsgegenwart wechselt die Handlung auf einmal in die Vergangenheit zurück, zeigt uns die Kindheit und Jugend des Titelhelden, wie er, der italienische Einwanderer, von einer Bande amerikanischer Jungs verprügelt wird, wie er vor ihnen weg rennt und so den Weg für seine Sportlerkarriere und die anschließende Olympiateilnahme in Berlin 1936 ebnet. Doch ehrlich gesagt interessiert das alles nicht. Es sind lieblose Aneinanderreihungen von biografischen Ereignissen, die sich Jolie und ihr Autorenteam - das immerhin aus den Coen Brüdern, Richard LaGravenese (König der Fischer) und William Nicholson (Gladiator) besteht - hier in ihre eigentliche Rahmenhandlung hineingepresst haben. Der nächste Stilbruch ist die Einblendung der Tageszahl, die die drei jungen Soldaten auf offener See verbringen. Und über all dem schwebt dann natürlich noch der fragwürdige Wahrheitsgehalt dieser "realen" Geschichte. Kein Mensch kann heute beweisen, ob die drei wirklich 47 Tage ohne Essen und Trinken auf dem Ozean trieben und die anschließenden Folterszenen mit Zamperini, so brutal und intensiv sie auch (inszeniert) sind, und so gut Ishihara hier den gnadenlosen Japaner mimt, sich wirklich so zugetragen haben... das alles wirkt einfach mit jeder andauernden Filmminute unwahrscheinlicher. Wie Zamperini in einer der letzten Szenen des Films kurz vor dem Kriegsende stundenlang (!) mit einem unfassbar schweren Holzbalken über dem Kopf dasteht, abgemagert wie er ist, wie er all den Schmerz ertragen kann...

Davon abgesehen handeln die Figuren teilweise auch wirklich unkoordiniert und unsinnig. Als am Ende US-Flugzeuge über das japanische Kriegsgefangenenlager hinweg fliegen fangen die Amerikaner, die just in diesem Moment eigentlich hingerichtet werden sollen, an zu jubeln und zu feiern und rufen "der Krieg ist vorbei". Und was machen die bis dahin so gnadenlosen Japaner? Nichts. Sie stehen irritiert da und tuen nichts. Jahrelang foltern, knechten und ermorden sie die Gefangenen und nun, in der Übermacht und mit Maschinenpistolen bewaffnet, geben sie einfach auf? Fragwürdige Szenen wie diese - und es gibt einige davon in Unbroken - führen dazu, dass man den von Roger Deakins wunderschön fotografierten Film irgendwie nicht so gut finden kann, wie man es vielleicht aufgrund der kämpferischen Stärke seines Helden gerne möchte. Die überaus pathetische Musik von Alexandre Desplat (der 2014 mal wieder sehr produktiv war und mit The Imitation Game und Grand Budapest Hotel auch gleich doppelt Oscar-nominiert ist) hilft dann auch nicht weiter.

Am schlimmsten ist aber vermutlich wirklich die mehr als eindeutige Darstellung Zamperinis als Jesusfigur, die alles Leid und allen Schmerz der Soldaten bündelt und auf sich nimmt und bis zum Ende durchhält und in der besagten Szene mit dem Balken regelrecht "wiedergeboren" wird. Dass er nach Ende des Krieges dann zum gläubigen Christen wird und seinen Peinigern mit einem Lächeln vergeben hat, verdeutlicht diese Absicht Jolies dahinter noch einmal. Die Vorlage von Laura Hillenbrand (Seabiscuit) hätte man vielleicht lieber chronologisch anstatt mit störenden Rückblenden erzählen und einfach von der allzu plakativen, aufdringlichen Heiland-Darstellung Zamparinis absehen sollen. Und auch Hauptdarsteller Jack O'Connell ist, vor allem im Vergleich Gleeson oder Ishihara, kein allzu überzeugender Hauptdarsteller, dem man den willensstarken Helden abkaufen würde. So ist Unbroken technisch zwar ein gelungener Kriegsfilm, inhaltlich und inszenatorisch jedoch hat Angelina Jolies zweiter Spielfilm als Regisseurin erhebliche Defizite aufzuweisen.

★★★☆☆


Originaltitel: Unbroken

Regie: Angelina Jolie
Drehbuch: Joel Coen & Ethan Coen und Richard LaGravenese und William Nicholson
basierend auf dem Buch von Laura Hillenbrand
Kamera: Roger Deakins
Musik: Alexandre Desplat

Darsteller:
Jack O'Connell ... Louis Zamperini
Domhnall Gleeson ... Phil
Garrett Hedlund ... Fitzgerald
Takamasa Ishihara ... Watanabe
Finn Wittrock ... Mac
Jai Courtney ... Cup

USA 2014, 127 Min.
Universal Pictures
Kinostart: 15. Januar 2015
FSK 12

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