Filmkritik: Black Mass


Johnny Depp. Das war einst der gefeiertste Star am Himmel von Hollywood. Doch die letzten Jahre brachten ihm einen Flop nach dem anderen - und dazwischen fragwürdige Erfolge in mittelmäßigen Filmen. 2004, 2005 und 2008 war er Oscar-nominiert - danach ist kaum ein Film, in dem Depp mitgewirkt hat, noch eine Erwähnung wert (und wenn ist das der Animationsfilm Rango und der Disney-Flop Lone Ranger). Doch nun scheint sich Johnny Depp rehabilitieren zu wollen - und die Voraussetzungen waren gut: In Black Mass von Crazy Heart-Regisseur Scott Cooper spielt Depp den Bostoner Gangster James 'Whitey' Bulger, dem neben Drogenhandel, Geldwäsche und Erpressung auch 19-facher Mord vorgeworfen wird.
Man kann sich den ganzen Film über darüber auslassen, ob Bulger nun eine Titelfigur ist, die man mögen soll, oder nicht. Es ist immer schwer, einen Mörder und Psychopathen, der er nun mal ist, als zuschauerbindende Figur zu inszenieren. Was das betrifft, haben Cooper und seine beiden Autoren Mark Mallouk und Jez Butterworth gute Arbeit geleistet. Denn, und das ist sicherlich auch Verdienst Johnny Depps, der James Bulger, den wir hier auf der Leinwand sehen, ist zwar zweifelsohne ein brutaler Gangster - aber eben auch ein mitfühlender Vater und loyaler Freund. Ob das moralisch nun verwerflich ist - immerhin ist Bulger eine reale Figur - sei mal dahingestellt, viel interessanter ist allerdings, dass der FBI Agent John Connolly, den Joel Edgerton spielt, die viel widerwärtigere und unsympathischere Figur abgibt. Er macht allerdings auch von allen Figuren die stärkste, vielleicht sogar die einzige charakterliche Entwicklung durch. Aufgewachsen im selben Viertel wie Bulger, bietet Connolly dem Verbrecher einen Deal mit dem FBI an. Doch Connolly gerät mehr und mehr in den Sumpf der Korruption und der Verbrechen rund um Bulger und seine Männer. Und von Minute zu Minute wächst und gedeiht die Antipathie für diesen Bundesbeamten, weswegen der Zuschauer in ihm viel eher den Antagonisten ausmachen wird, als in Johnny Depps Verbrecherfigur.

Auch die Nebenrollen sind stark besetzt: Benedict Cumberbatch kann als Bulgers Bruder ebenso überzeugen wie Dakota Johnson als Bulgers Freundin und Mutter seines Sohnes. Kevin Bacon ist immer wieder einen Blick wert und Peter Sarsgaard hat einen sehr guten, wenn auch sehr kurzen Auftritt als drogenabhängiger Psychopath. Doch während Black Mass schauspielerisch wirklich sehr gut ist, bleibt die Geschichte um Bulger und den FBI-Deal immerzu auf einem Level: Im zweiten Drittel dümpelt die Geschichte sogar ein wenig vor sich hin und gestattet dem Zuschauer kein wirkliches Finale, keinen Höhepunkt. Deswegen macht auch Bulger keine allzu großes, offensichtliche Veränderung durch. Er ist und bleibt ein brutaler Verbrecher, ein Mörder. Doch auch am Ende des Films hat man nicht das Gefühl, dass man zufrieden sein sollte mit dem, was ihm widerfährt. 

Und so ist Black Mass ein zweischneidiges Schwert: Einerseits überzeugen die darstellerischen Leistungen des beeindruckenden Ensembles und Scott Coopers klassische, routinierte Gangsterfilm-Inszenierung. Auf der anderen Seite jedoch will nicht so recht allzu große Spannung aufkommen, es mangelt an ereignisreichen Momenten. Dennoch ist der Film für Johnny Depp der Weg in die absolut richtige Richtung: So gut und so "echt" hat man ihn schon seit Jahren nicht mehr auf der Leinwand gesehen.

★★★☆☆


Originaltitel: Black Mass

Regie: Scott Cooper
basierend auf dem Buch von Dick Lehr und Gerard O'Neill

Darsteller:
Johnny Depp ... James 'Whitey' Bulger
Joel Edgerton ... John Connolly
Benedict Cumberbatch ... Billy Bulger
Dakota Johnson ... Lindsey Cry
Julianne Nicholson ... Marianne Connolly
Kevin Bacon ... Charles McGuire
Peter Sarsgaard ... Brian Halloran
Jesse Plemons ... Kevin Weeks
Rory Cochrane ... Steve Flemmi
David Harbour ... John Morris
Adam Scott ... Robert Fitzpatrick
Corey Stoll ... Fred Wyshak
W. Earl Brown ... John Martorano
Bill Camp ... John Callahan
Juno Temple ... Deborah Hussey

USA 2015, 124 Min.
Warner Bros.
Kinostart: 15. Oktober 2015
FSK 16

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