Filmkritik: Joy

Joy Mangano ist Erfinderin, Kämpferin und geschiedene Mutter. In den frühen 1990er Jahren entwickelte sie den Miracle Mop, einen damals revolutionären Wischmop aus Plastik und mit 300 Fuß handerlesenen Baumwollfäden bestückt. Niemand kennt heute noch Joy Mangano. Regisseur David O. Russell wollte das nun ändern und bringt ihre Geschichte, in mehr oder weniger akkurater Nacherzählung, semi-fiktional auf die Leinwand. Dabei verlässt er sich vor allem wieder auf eines: seine Schauspieler. Vor allem Jennifer Lawrence, frisch mit dem Golden Globe für ihre Darstellung ausgezeichnet, weiß einmal mehr zu überzeugen.

Joy ist von einem Haufen Verrückter umgeben - anders kann man das nicht sagen. Ihre Mutter (Virginia Madsen) hat seit Jahren nicht mehr das Bett verlassen und lässt sich mit seichten Seifenopern die Realität aus dem Hirn saugen, ihr Vater (Robert De Niro) wurde gerade von seiner aktuellen Freundin verlassen und zieht in den Keller des Familienhauses, in dem auch der geschiedene Ex-Mann (Édgar Ramirez) Joys lebt. Jeder scheint sich mit jedem in die Haare zu bekommen, einzig Joy behält den Überblick - und das vor allem Dank der ruhigen, liebenswerten Großmutter (Diane Ladd).

Lawrence versteht es, die gestresste Mutter genauso überzeugend darzustellen, wie die kreative Erfinderin, die Frau, die sich nicht auf Haushalt und Kinder beschränken will, sondern sich zu Größerem berufen fühlt. Anerkennung (vor allem ihrer Eltern) sucht sie vergebens, nur ihr Ex-Mann hält weiterhin zu ihr und hilft ihr dabei, ihre aktuelle Erfindung, den Miracle Mop, zu entwickeln. Nach und nach boxt sich die taffe, junge Frau nach oben, bis sie schließlich beim Teleshopping-Sender QVC mit (fragwürdiger) Unterstützung eines Sender-Managers (Bradley Cooper) einen Überraschungserfolg verbucht.

Russell weiß, wie er seine Darsteller inszenieren muss, damit sie dem Zuschauer gefallen. Dennoch wirken manche Situationen ein wenig zu überspitzt, weswegen man sich mehr und mehr von den fast schon surrealen Nebenfiguren distanziert und eine regelrechte Wut auf sie aufbaut. Zudem fehlt dem Film ein wenig die dramaturgische Raffinesse, die beispielsweise Silver Linings noch hatte - vor allem am Ende wirkt die Geschichte ein wenig zu konstruiert und der futuristische Ausblick, den man dem Zuschauer gewährt, scheint regelrecht fehl am Platz zu sein.

So gut Lawrence und ihre Co-Stars Robert De Niro und Bradley Cooper auch sind - langsam aber sicher ist es fast schon ein wenig langweilig, immer dieselbe Kombination vor der Kamera zu sehen. Russell sollte sich nicht darauf versteifen, immer nur mit denselben Schauspielern zu arbeiten - das könnte ihm irgendwann nochmal zum Verhängnis werden. Zudem fällt es zunehmend schwerer, das genannte Trio überzeugend in seinen neuen Rollen zu sehen, wenn sie immer in der selben Kombination auftreten. Ich jedenfalls hatte desöfteren Gedankensprünge zu Silver Linings oder auch American Hustle.

Letztendlich lebt der Film von Jennifer Lawrence, ist aber davon abgesehen leider etwas höhepunktarm und emotionslos geraten. Wirklich mitfiebern wird der Zuschauer hier nicht, was mitunter auch daran liegen könnte, dass auf jeden Rückschlag schon in der nächsten Szene wieder eine neue Portion Glück auf Joy wartet. Das sei ihr durchaus auch gegönnt, hilft der Dramaturgie des Films aber nicht im Geringsten.

★★★☆☆


Originaltitel: Joy

Regie: David O. Russell
Drehbuch: David O. Russell & Annie Mumolo
Kamera: Linus Sandgren
Schnitt: Alan Baumgarten & Jay Cassidy & Tom Cross & Christopher Tellefsen
Musik: David Campbell & West Dylan Thordson

Darsteller:
Jennifer Lawrence ... Joy
Robert De Niro ... Rudy
Bradley Cooper ... Neil Walker
Édgar Ramírez ... Tony
Diane Ladd ... Mimi
Virginia Madsen ... Terry
Isabella Rossellini ... Trudy
Elisabeth Röhm ... Peggy
Dascha Polanco ... Jackie

USA 2015, 124 Min.
20th Century Fox
Kinostart: 31. Dezember 2015
FSK 12

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