Filmkritik: Das Bildnis des Dorian Gray

Oscar Wildes einziger Roman Das Bildnis des Dorian Gray wurde schon mehrfach verfilmt. In der aktuellen Version mit Ben Barnes (Die Chroniken von Narnia: Prinz Kaspian) und Colin Firth (frisch Oscar-nominiert für A Single Man) – die im Übrigen die bislang einzige ist, die ich kenne, bleibt Drehbuchautor Toby Finlay sehr nah an der Vorlage und schafft somit eine wunderbar düstere Atmosphäre vom London im späten 19ten Jahrhundert. Schon die ersten Bilder sind von tristen, blauen und grauen Farbtönen geprägt, die Musik ist schwer und die Aufnahmen dunkel. Das bleibt fast den gesamten Film über so, auch wenn es farbliche Veränderungen gibt – vor allem dann, wenn der scheinbar immer junge Dorian ein Fest der Sinne feiert.


Generell muss man sagen, dass diese britische Wilde-Verfilmung nicht nur sehr düster geraten ist, sondern auch sehr freizügig. Man könnte sagen, es ist eine typisch britische, bzw. europäische Produktion, die so in Hollywood niemals entstanden wäre. Und genau das macht den Film wiederum so interessant. Regisseur Oliver Parker schafft es, die Zeit perfekt einzufangen, optisch wie auch akustisch. Die Kostüme sind prall, das Make-up hervorstechend, die Kulissen originalgetreu und die Computeranimationen halten sich im Rahmen und fallen – bis auf das große Finale – im Grund nicht mal auf. Um gleich auf das Ende des Film zu sprechen zu kommen, ohne aber natürlich den Schluss zu verraten: Hier unterscheidet sich Das Bildnis des Dorian Gray mit Sicherheit stark von den bisherigen Verfilmungen, da bin ich mir ganz sicher. Überraschend morbide und noch viel spannender und düsterer als sowieso schon die gesamte Laufzeit über spitzt sich die Handlung immer weiter zu und explodiert letztendlich gewissermaßen.

Diese Explosion ist vor allem dem starken Ben Barnes zu verdanken, der zwar bei den weiblichen Zuschauern recht zwiegespalten aufgenommen wurde (nach allem, was ich im Kinosaal an Reaktionen wahrgenommen habe), aber den gutaussehenden, undurchschaubaren Dandy perfekt spielt. Anfangs unschuldig und jugendlich bekommt er von einem befreundeten Künstler (ebenfalls gut: Ben Chaplin) ein erschreckend realistisches Portrait gemalt – das allerdings mehr ist, als es den Anschein macht. Denn vom Zeitpunkt der Fertigstellung an gibt es kein Zurück mehr für Dorian, sein Schicksal ist besiegelt, der Fluch hat begonnen: Er altert nicht mehr, stattdessen altert sein gemaltes Ebenbild. Doch nicht nur das, er wird zum respektlosen Lüstling, zum brutalen Liebhaber und schließlich zum psychopathischen Mörder. Diese Verwandlung gelingt Barnes ausgesprochen gut und unscheinbar.

Colin Firth spielt den Zyniker und langjährigen Freund Dorians, Henry Wotton, ebenfalls voll überzeugend. Vor allem seine Kommentare zur Geschichte sind sehr gelungen und unterhaltsam. Denkt man in den ersten, zugegebenermaßen recht zähen, ersten Minuten noch, dass Parker hier eine x-beliebige weitere Romanverfilmung abliefert, merkt man mit fortschreitender Zeit, dass Das Bildnis des Dorian Gray durchaus eine gelungene Literaturverfilmung ist, die vor allem dank der tollen Ausstattung und Bilder und natürlich wegen der guten Darsteller sehenswert ist, wenn gleich es auch die eine oder andere Länge gibt und das Finale womöglich nicht so recht in den bisherigen Inszenierungsbogen passt. Freunde des Buches allerdings werden auf jeden Fall nicht enttäuscht und wer gerne düstere Historienkrimis sieht – hier garniert mit etwas Fantasy – kommt ebenfalls voll auf seine Kosten.

★★★☆☆


Regie: Oliver Parker

Drehbuch: Toby Finlay nach Oscar Wildes Roman

Darsteller:
Ben Barnes ... Dorian Gray
Colin Firth ... Lord Henry Wotton
Rebecca Hall ... Emily Wotton
Rachel Hurd-Wood ... Sybil Vane
Ben Chaplin ... Basil Hallward

Trailer:

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