Filmkritik: Kick-Ass

Don’t believe the hype heißt es so schön. Oftmals mag das stimmen, doch immer wieder kommt es vor, dass ein Film all seinen hohen Erwartungen gerecht wird. Einer dieser Filme ist Kick-Ass, der zweifelsohne der bislang beste Film des Jahres ist und neue Maßstäbe in Punkto Actionkomödie setzt. Der Film von Der Sternwander – Regisseur Matthew Vaughn legt von der ersten Minute an fest, in welche Richtung es gehen soll – und verlässt sein Terrain auch nicht mehr.

Ohne Macht hat man auch keine Verantwortung, sagt Dave (Aaron Johnson), ein Durchschnitts-Teenager, dessen einzige Superkraft die Nichtbeachtung bei Mädchen ist, wie er selbst von sich sagt. Diese Aussage ist nicht nur eine astreine Parodie auf Spider-Mans Weisheit Mit Macht kommt große Verantwortung, sie ist auch der Schlüssel zum Vorhaben Daves: Jeder kann ein Superheld sein, denn dazu benötigt man keinerlei Superkräfte. Für 99 Dollar bestellt er sich einen grün-gelben Latexanzug im Internet, dazu zwei Schlagstöcke und eine farblich passende Maske. Schon ist Kick-Ass ist geboren.

Anfangs noch auf Rettungskreuzzug für eine Katze, gerät der Schüler ungewollt in eine Schlägerei – und markiert hier seinen Standpunkt auf ziemlich schmerzhafte und harte Art und Weise: Lieber würde er sterben, als die drei Angreifer den wildfremden jungen Mann zusammenschlagen zu lassen – während ein dutzend Schaulustiger zusieht und Handyvideos aufzeichnet. Das ist gewissermaßen auch zugleich eine ziemlich offensichtliche und berechtigte Gesellschaftskritik. Täglich liest man in der Zeitung von brutalen Angriffen auf Menschen in Bussen und Bahnen oder mitten in der Fußgängerzone – und unzählige Passanten sehen weg und kommen nicht auf die Idee zu helfen.

Doch Dave / Kick-Ass ist nicht die schrägste Figur in der Reihe der schrägen Charaktere von Kick-Ass. Die wohl irrste und großartigste Filmfigur seit langer Zeit ist zweifelsohne Hit-Girl (die umwerfende, großartige und total irre Chloë Grace Moretz), das 11jährige Mädchen, das ein Dutzend Profikiller mit Leichtigkeit ausschaltet. Ausschalten ist dabei noch eine sehr freundliche Umschreibung dessen, was Vaughn hier auf die Kinoleinwand projiziert: Zusammen mit ihrem Vater Big Daddy (wie alle anderen auch urkomisch: Nicolas Cage) macht sie Jagd auch Frank DeMico (herrlich fies: Mark Strong) und seine Killerbande (warum die beiden diesen Kreuzzug gestartet haben, verrate ich an dieser Stelle nicht). Die kleine Tötungsmaschine mit der stechend lila Perücke schlitzt die Gangster auf, pustet ihnen das Gehirn weg und trennt ihnen Beine ab. Und das in voller Härte und unzensiert.

Damit zeigt sich neben der irren Figurenkonstellation, den großartigen Dialogen und der abgefahrenen Handlung ein weiteres Merkmal von Kick-Ass: Der Film ist dermaßen brutal, dass es schon irgendwie seltsam erscheint, dass die sonst so strenge deutsche FSK den Film unzensiert ab gerade mal 16 Jahren freigegeben hat. Da schlachtet ein kleines Kind die bösen Buben in großer Stückzahl ab und bezeichnet sie nebenbei noch als Fotzen – und dann soll das der Zuschauer auch noch lustig finden? Scheiße JA. Aber sowas von. Ohne zu übertreiben habe ich seit Urzeiten nicht mehr so viel Spaß im Kino gehabt. Man sitzt nichtsahnend in seinem gemütlichen Kinosessel und plötzlich metzelt ein goldiges, kleines Mädchen alles ab, was ihm in die Quere kommt. Vaughn schafft es, dass die Brutalität und die anzügliche Sprache (und die englische Fassung ist da noch um einiges schlimmer, wobei auch in der deutschen Synchronisation schön geflucht werden darf) weder stören noch gestellt und inszeniert wirken. Im Gegenteil: Mit voller Wucht haut es den Zuschauer um, wenn die Superhelden ihre Arbeit beginnen. Und nicht vergessen sollte man, dass auch dieser Film, so durchgeknallt wie er auch sein mag, seine ruhigen und ernsten Momente hat. Und auch die passen perfekt ins Konzept.

Nun könnte (oder sollte?) man sich fragen, ob es nicht ein Skandal sei, ein kleines Kind mit Fäkelsprache sprechen zu lassen und Menschen umzubringen. Für wen sollte das nun aber ein Skandal sein? Für den Zuschauer, der ja eh nicht unter 16 Jahren sein darf? Für Darstellerin Moretz, deren Leben von nun an den Bach runtergehen wird? An all die Kritiker da draußen: Das hier ist ein Film. Und das weiß auch jeder, der an der Produktion mitgewirkt hat. Und demnach auch Moretz, die trotz ihrer 11 Jahre weiß, dass man Menschen nicht mit einer Sense durchbohrt. Und das wissen auch die mindestens 16 Jahre alten Zuschauer. Wozu nun also diese große, übertriebene Panikmache? Wird es besser, wenn eine 21jährige die Männer tötet? Nicht wirklich, oder? Wie auch immer: All die Diskussionen über dieses Thema sind wie immer nur gute Werbung für den von Brad Pitt mitproduzierten Film.

Zu all den großartigen Dingen in Kick-Ass zählen dann zu guter Letzt auch noch der fantastische Soundtrack, die tolle Schnittarbeit und das perfekte Timing bei den Gags. Es stimmt im Grunde einfach alles bei diesem absolut ungewöhnlichen Film – und gerade weil es eigentlich heutzutage gar nicht mehr möglich schien, muss man es hier extra noch mal betonen: Etwas wie Kick-Ass hat es wirklich noch nie gegeben. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Fortsetzung – die schon beschlossene Sache ist – dem ersten Teil in nichts nachsteht.

Bleibt nur noch zu sagen: Fuck this shit. I’m getting the bazooka.

4/5


Regie: Matthew Vaughn

Drehbuch: Matthew Vaughn & Jane Goldman

Darsteller:
Aaron Johnson ... Dave / Kick-Ass
Christopher Mintz-Plasse ... Chris / Red Mist
Chloë Grace Moretz ... Mindy / Hit-Girl
Mark Strong ... Frank D'Amico
Nicolas Cage ... Damon / Big Daddy


Trailer:

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