Der Fluch der Disney-Sommerblockbuster

Seit Disney im Sommer 2003 mit dem ersten Teil der Pirates of the Caribbean-Reihe (deren fünfter Teil im Juli 2017 in den Kinos startet) einen immensen Erfolg mit einem Realfilm feiern durfte, versuchte das Maus-Haus diesen Erfolg zu wiederholen. Doch während auch die Fortsetzungen der Filme von Produzent Jerry Bruckheimer ihr Publikum fanden, hatte Disney schon bald große Probleme damit, seine Tentpole-Movies abseits der Piraten, Superhelden von MARVEL und Märchenfiguren an den Mann oder die Frau zu bringen. Was folgte waren einige der spektakulärsten Flops der Filmgeschichte - und dabei liegt die Schuld keineswegs (ausschließlich) an den Filmen selbst.

Eine der ersten Blockbuster-Enttäuschungen war 2010 Mike Newells Prince of Persia, der bei einem Budget von 200 Millionen Dollar in den USA nur 90 Millionen und weltweit insgesamt (immerhin) 336 Millionen Dollar einnahm. Noch schlimmer wurde es zwei Jahre später mit John Carter. Der Film von Pixar-Veteran Andrew Stanton floppte mit mageren 73 Millionen Dollar am US-Boxoffice und ebenso enttäuschenden 284 Millionen Dollar weltweit - bei einem Budget von satten 250 Millionen Dollar. Nur ein Jahr später konnte auch The Lone Ranger kaum schwarze Zahlen schreiben: Bei einem Budget von 215 Millionen Dollar nahm der Film knapp 90 Millionen Dollar in der amerikanischen Kinos und 260 Millionen Dollar weltweit ein.

Und nun, im Sommer 2015, ist der nächste große Disney-Blockbuster weit unter den Erwartungen angelaufen. Erneut von einem Pixar-Regisseur - Brad Bird - inszeniert, kann auch der 190 Millionen Dollar teure A World Beyond nicht das große Publikum finden. Nach 15 Tagen hat der Film weltweit nur 141 Millionen Dollar eingenommen. In den USA läuft er dabei immerhin etwas besser als die drei zuvor erwähnten Filme und wird am Ende seiner Spielzeit mit etwas Glück irgendwo zwischen 90 und 95 Millionen Dollar in den USA, aber weltweit bei nur etwa 220 bis 235 Millionen Dollar landen und damit weniger als alle anderen Disney-Flops der letzten Jahre einspielen.

Nun kann man nach Gründen für das schwache Abschneiden dieser Filme suchen. Sicherlich ist es nicht der Mangel an Stars (Johnny Depp oder George Clooney gehören beispielsweise zu den beliebtesten Darstellern Hollywoods) oder allzu miserable Kritiken (die sind im mittleren Durchschnitt) - vielleicht ist einer der Gründe für das Versagen dieser kostspieligen Werke, dass Disneys Marketing-Abteilung nicht richtig damit umzugehen weiß. Das Beispiel John Carter ist ein ganz Außergewöhnliches: Der immens teure Science Fiction-Film, der auf einem der ältesten Genre-Romane basiert, die es in der Literatur gibt, wurde von Disney vollkommen falsch beworben. Zunächst einmal änderte man den Titel von John Carter of Mars in die kürzere Form um - vermutlich um SciFi-Gegner nicht abzuschrecken. Dann, nach einem brillanten Teaser für den Film, entschied man sich offensichtlich dafür, den Film nicht mehr als mythischen Stoff für Erwachsene, sondern als peppigen Genre-Mix zu präsentieren, der mit einer Szene beginnt, die der Zuschauer fast genau so vor nicht allzu langer Zeit in George Lucas' Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger gesehen hat. Als dann die unfassbar unpassende rockige Musik von Led Zeppelin erklingt, kann man den Film schon gar nicht mehr ernst nehmen. Und so schreckt man potentielle Zuschauer mit einem Trailer ab, der fast ausschließlich aus Material besteht, das das Publikum in SF-Filmen der letzten Jahre schon gesehen hat (die sich wiederum an der Romanvorlage orientieren - was der junge Zuschauer aber natürlich nicht weiß!), und der absolut unpassend musikalisch untermalt und schlecht geschnitten ist. Man hat hier dem Regisseur einen Riegel vorgeschoben und ihn seiner Arbeit beraubt. Stanton war für den Teaser nämlich noch verantwortlich gewesen - danach hat man ihn in die Vermarktung nicht mehr mit einbezogen. Gründe hierfür sucht man bis heute vergeblich.

Davon abgesehen, wurde John Carter generell sehr zurückhaltend beworben - es wurden gar Stimmen laut, Disney habe den Film absichtlich in die Todeszone geschickt. Gute Marketing sieht anders aus, so viel steht fest. Nun hat es mit A World Beyond einen weiteren Science Fiction-Film erwischt. Der Film von Brad Bird, nach einem Drehbuch von Bird und Damon Lindelof, erzählt eine originale Geschichte, die weder auf bekannten Comics, Märchenfiguren, Romanen oder Fernsehserien basiert - einzig die gleichnamige Themenlandschaft der Disney-Parks steht hier wie damals bei Pirates of the Caribbean Pate. Doch auch diesmal sollte Disney kein glückliches Händchen mit dem Marketing haben. Wieder erscheint es so, dass der Film zu unausgewogen und zurückhaltend beworben wurde - wieder muss man sich fragen, woran es liegen kann, dass ein 200 Millionen Dollar Filmprojekt so lieblos behandelt wird. Warum legt man den Fokus nicht mehr auf die unglaublich charmante und sympathische Brit Robertson, die hier die Hauptrolle spielt - und nicht Clooney, der wie Jeff Bridges in Tron Legacy eigentlich nur eine etwas größere Nebenrolle einnimmt? Wieso den (jungen) weiblichen Zuschauern nicht deutlicher machen, dass hier eine taffe, starke junge Frau das Ruder in die Hand nimmt und die Zukunft der Menschheit rettet?

Dass gutes Marketing unverzichtbar ist, zeigte Tron Legacy im Winter 2010/11. Die Fortsetzung des Kult-SF-Films von 1982 hatte vor allem eins: eine gute Fanbase und effektive Teaser und Trailer. Man verkaufte den Film als großes Eventkino und platzierte den Film sogar zum Weihnachtsgeschäft - und machte damit alles richtig: 172 Millionen Dollar in den USA und 400 Millionen Dollar weltweit - für einen SF-Film, der auf eine ganz spezielle Zielgruppe zugeschnitten ist und mit Jeff Bridges nicht gerade einen als Blockbuster-König bekannten Star in einer etwas größeren Nebenrolle hatte.

Umso ärgerlicher sind dann die Nachrichten, die letzte Woche die Runde machten: Disney hat die Pläne des dritten Tron-Films abgeblasen - und das, obwohl Regisseur, Hauptdarsteller und Drehstart schon (wenn auch nicht offiziell bekannt gemacht) fest geplant waren. Warum Disney diesen Schritt geht, mag durchaus verständlich sein: man will sich auf sichereres Terrain beschränken: Nach den finanziellen Erfolgen von Realfilm-Versionen der eigenen Zeichentrickfilmklassiker (von Alice im Wunderland über Maleficent hin zu Cinderella) setzt das Maus-Haus offenbar lieber auf das sichere Pferd, als noch einmal ein gewaltiges Budget in einen Science Fiction-Blockbuster zu stecken. Das ist ärgerlich - gerade für Genrefans - und zugleich auch langweilig und monoton. Vor allem aber muss man doch einfach sagen, dass Disney voll und ganz selbst die Schuld am Versagen der genannten Blockbuster trägt. Denn weder John Carter, noch The Lone Ranger oder A World Beyond sind wirklich schlechte Filme. Zugegeben, sie sind allesamt keine herausragenden Werke, aber allesamt mehr als unterhaltsam und auf ihre Art originell, während vor allem die ersten (wenn auch erfolgreichen) Märchen-Realverfilmungen mehr als mittelmäßig oder schlecht waren - vor allem Alice im Wunderland und Die fantastische Welt von Oz

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