Filmkritik: Jurassic World

Das Warten hat sich gelohnt. Soviel gleich vorneweg: Ja, die 14 Jahre Wartezeit seit dem dritten Teil der Jurassic Park-Reihe haben sich mehr als gelohnt. Denn im Grunde ist schon nach wenigen Minuten klar: Jurassic World ist Popcorn-Kino der obersten Güteklasse, das von Beginn an Spaß macht und... nun... keine Kosten und Mühen gescheut hat.

Inhaltlich setzt der Film 20 Jahre nach der Handlung des ersten Teils von Steven Spielberg ein: John Hammonds Traum von einem gewaltigen Freizeitpark mit lebenden, geklonten Dinosauriern ist Wirklichkeit geworden. Jahr für Jahr strömen täglich über 20.000 Besucher auf die Isla Nublar, die Insel, auf der im originalen Jurassic Park vier Menschen ums Leben gekommen sind. Doch Milliardär Masrani (Irrfan Khan), der Hammonds Plan nach dessen letzten Wünschen realisiert hat, ist Geschäftsmann - und so investiert er in genmanipulierte Dinoexperimente um neue, größere und schrecklichere Dinosaurier für seine Besucher zu entwerfen. Doch, wie Ian Malcolm einst weise formulierte: Das Leben findet einen Weg. Und so kommt es, wie es kommen musste... die Vergewaltigung der Natur, um ein weiteres Mal Jeff Goldblums Paraderolle zu zitieren, bricht aus und hat nur ein Ziel vor Augen: töten.

Man muss zunächst einmal ganz klar sagen: Die Geschichte von Jurassic World ist belanglos. Aber das Gute ist: Der Film macht daraus auch keinen Hehl. Hier soll Attraktionskino geschaffen werden - und Junge, Junge: an Attraktionen mangelt es Colin Trevorrows Film mitnichten. Auf seiner Mordtour durch den Vergnügungspark hinterlässt der Indominus Rex, so der Name des Gen-Dinos, eine Spur der Verwüstung: Nichts und niemand scheint ihn aufhalten zu können. Das ist auch der Ignoranz der Parkbetreiber rund um InGen, Hammonds einst großer, visionärer Firma, geschuldet. Der menschliche Antagonist hier, ein beleibter, arroganter Kriegstreiber namens Hoskins (Vincent D'Onofrio), der Velociraptoren als Kriegswaffen einsetzen will, treibt sein eigenes Spiel, während die Hauptfiguren um ihr Leben fürchten. Chris Pratts Owen und Bryce Dallas Howards Claire sind diese Hauptfiguren - und sie funktionieren wunderbar amüsant zusammen und haben in ihren besten Momenten etwas von Bogart und Hepburn, wenn sie, der raue, coole Kämpfertyp und die zickige, arrogante aber feine Dame, sich gegenseitig anstacheln - und wir, die Zuschauer, doch wissen, dass sie perfekt zusammenpassen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Claires Neffen, die irgendwo auf der Insel um ihr Leben rennen.

Zugegeben, die Idee, Raptoren als Waffen einzusetzen, ist so bescheuert, dass sie schon wieder amüsant ist. Und natürlich wird hier nach den ersten 30 Minuten nur noch gerannt, geschrien und Strich nach Strich auf die Body-Count-Liste gesetzt. In der Tat gibt es hier wahrscheinlich so viele Dino-Opfer wie in allen bisherigen Jurassic Park-Teilen zusammen. Und die gehen auf die Schnauze von verschiedenen Dinoarten. Doch der Indominus Rex ist, im Gegensatz zum Spinosaurus aus dem dritten Teil, ein Killer, den man wirklich "ernst" nehmen kann - und dessen "Beweggründe" sogar klar gemacht werden. Die wahren Dino-Highlights des Films sind allerdings die Raptoren, die hier geradezu Sympathie einfordern. Überhaupt muss man hier tatsächlich mit den Dinosauriern mitfiebern und leiden - als Owen und Claire auf einen im Sterben liegenden Apatosaurus stoßen, ist das gar ein Moment, auch dank Michael Giacchinos großartiger Musik, in dem feuchte Augen vorprogrammiert sind.

Und feuchte Augen gibt es sogar mehrfach. Das liegt zum einen an Giacchinos Score, zum anderen an den vielen wunderbaren Anspielungen an Spielbergs Jurassic Park. Gleich zu Beginn legt Giacchino John Williams wunderbares Titelthema neu auf und eröffnet uns so gemeinsam mit Claires Neffen Jurassic World. Gänsehaut. Immer wieder im Film gibt es dann Momente, die voller Nostalgie stecken: ob ein Wiedersehen mit dem originalen Besucherzentrum, dem legendären Nachtsichtgerät, den alten Mercedes-Parkautos oder Mr. DNA - es sind diese kleinen Momente, die den Zuschauer 20 Jahre zurück durch die Zeit reisen lassen. Und dennoch hat der Film so viel Neues zu bieten. Vor allem Charaktere. Denn außer BD Wongs Dr. Wu gibt es kein Wiedersehen mit ehemaligen Park-Überlebenden. Das ist einerseits schade, auf der anderen Seite aber auch nicht notwendig, denn der Film funktioniert auch so dank Pratt und Howard. Als lässiger Indiana Jones-Verschnitt ist Pratts Owen dabei allerdings gar nicht mal unbedingt die zentrale Figur. Das dürfte viel mehr Howards Claire sein: Während Owen am Anfang wie auch am Ende des Erlebten der gleiche Mann ist, hat Claire eine große Veränderung durchgemacht. Von der Business-Lady, die nicht mal das Alter ihrer Neffen weiß, geschweige denn Zeit oder Lust hat, den Tag mit ihnen im Park zu verbringen, hin zur fürsorgenden, liebenden Frau, ist sie diejenige, die das Interesse des Zuschauers mehr und mehr auf sich lenkt.

Wobei das Augenmerk zweifelsohne den Dinosauriern gilt. Und die sind visuell beeindruckend animiert. Jurassic World ist ein Fest für Augen und Ohren, ein Leckerbissen an Effekten, Dino-Action, Humor (vor allem Dank Jake Johnson, der eine Art Sidekick darstellt), toller Musik und einigen wirklich packenden Szenen. Es ist nicht mehr und nicht weniger als allerfeinste Blockbuster-Unterhaltung. Und davon darf es gerne noch mehr geben - den Weg dafür hat man inhaltlich sogar schon mal geebnet. Und vielleicht gibt es dann ja auch ein Wiedersehen mit Ian Malcolm, Alan Grant oder Ellie Sattler. Kosten müssen die Macher der Jurassic-Reihe sicherlich nicht scheuen. 

★★★★☆


Originaltitel: Jurassic World

Regie: Colin Trevorrow
Drehbuch: Colin Trevorrow & Derek Connolly und Rick Jaffa & Amanda Silver
Kamera: John Schwartzman
Schnitt: Kevin Stitt
Musik: Michael Giacchino

Darsteller:
Chris Pratt ... Owen
Bryce Dallas Howard ... Claire
Vincent D'Onofrio ... Hoskins
Irrfan Khan ... Masrani
Ty Simpkins ... Gray
Nick Robinson ... Zach
Jake Johnson ... Lowery
Omar Sy ... Barry
BD Wong ... Dr. Henry Wu
Judy Greer ... Karen
Lauren Lapkus ... Vivian

USA 2015, 124 Min.
Universal Pictures / Legendary Pictures
Kinostart: 11. Juni 2015
FSK 12

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