Filmkritik: Kind 44

Im Paradies gibt es keinen Mord. Mit diesem "Gesetz", das in der damaligen Sowjetunion verbreitet wurde, wurden brutale Morde als unglückliche Unfälle abgetan - denn Mord ist schließlich eine rein kapitalistische Krankheit. Doch Leo Demidov, beim sowjetischen Geheimdienst beschäftigt, stößt auf eine Reihe ungewöhnlicher Verbindungen zwischen eine Serie von "Unfällen", bei denen immer wieder Kinder zwischen 9 und 14 Jahren ums Leben gekommen sind. Seine Ermittlungen, die seinen Vorgesetzten und Kollegen ein Dorn im Auge sind, führen ihn unfreiwillig raus aus Moskau ins russische Hinterland. Dort offenbart sich ihm erst das wahre Grauen.


Tom Rob Smith Roman ist schonungslos und kalt, Daniel Espinosas (Safe House) Verfilmung passt sich der düsteren Atmosphäre nahtlos an. Von Anfang  an sehen wir Gewalt, Verrat, Denunzierung und Hinrichtungen. Es ist der Alltag in der kommunistischen, harten Welt der Sowjetunion in der Nachkriegszeit. Smiths Geschichte ist vielschichtig erzählt - und Drehbuchautor Richard Price hat versucht, soviel wie möglich davon in den Film zu integrieren. Und so verfolgen wir mehrere Subplots auf dem Weg zum Ziel: Zum einen die Aufklärung der Kindermorde durch einen Pädophilen, zum anderen aber auch die Wandlung Leo Demidovs, der vom regierungstreuen Mitläufer zum zweifelnden Ehemann und Vater wird. Dass diese Wandlung glaubhaft rüberkommt, verdankt der Film seinem Hauptdarsteller Tom Hardy. Der 37-jährige Brite spielt den immer mehr an Zweifeln zu Grunde gehenden Demidov mit einer Mischung aus Brutalität und Einfühlsamkeit, die sich immer wieder abwechseln bis er sich für eine Seite entscheiden kann. Seine Filmpartnerin Noomi Rapace (Millennium-Trilogie) ist ebenfalls sehr überzeugend und so nimmt man den beiden die nur scheinbar heile Welt ihrer Ehe glaubhaft ab und ist umso überzeugter von ihrem Ausgang.

Kind 44 braucht ein bisschen, um seinen Weg zu finden, die Nebenfiguren sind ab und an vielleicht etwas zu überzogen karikiert. So sind vor allem Joel Kinnamans Vasili und Vincent Cassels Major Kuzmin zweifelhafte Figuren, die nur in ihrem eigenen Interesse, beziehungsweise bei Vasili in Rachegelüsten handeln. Gary Oldmans General Nesterov dagegen hat so gut wie nichts zu tun, weswegen es schon ärgerlich ist, dass man mit Oldman überhaupt den Film beworben hat. Von fast 140 Filmminuten ist er vielleicht gerade einmal 20 Minuten auf der Leinwand zu sehen. Auch muss man sich fragen, ob das Buch/Drehbuch nicht ab und an etwas zu viel des Bösen vermitteln wollen. So enden einige Figuren und kleine Erzählstränge sehr leicht im Klischee oder verlaufen sich gänzlich in einer Sackgasse. Oldmans Figur endet beispielsweise in solche einer Sackgasse - er verschwindet einfach von der Bildfläche und ward bis zum Epilog nicht mehr zu sehen.

Am Ende ist Espinosas Kind 44 vor allem deswegen sehenswert, weil er mit Tom Hardy und Noomi Rapace ein sehr starkes Paar gefunden hat, das glaubhaft und bis zum Ende mitreißend in seinen Rollen agiert. 

★★★☆☆


Originaltitel: Child 44

Regie: Daniel Espinosa
Drehbuch: Richard Price
nach dem Roman von Tom Rob Smith
Kamera: Oliver Wood
Schnitt: Pietro Scalia & Dylan Tichenor
Musik: Jon Ekstrand

Darsteller:
Tom Hardy ... Leo Demidov
Noomi Rapace ... Raisa Demidov
Gary Oldman ... General Mikhail Nesterov
Joel Kinnaman ... Vasili
Paddy Considine ... Vladimir Malevich
Vincent Cassel ... Major Kuzmin
Jason Clarke ... Anatoly Tarasovich Brodsky
Charles Dance ... Major Grachev
Fares Fares ... Alexei Andreyev
Tara Fitzgerald ... Inessa Nesterov

USA/UK/CZ/RO 2015, 137 Min.
Concorde Filmverleih
Kinostart: 04. Juni 2015
FSK 16

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