Filmkritik: Alles steht Kopf

Pixar. Das sind fünf Buchstaben, die die Welt des Animationsfilms 1995 mit Toy Story verändert haben. Und genau 20 Jahre später, nach Oscar-prämierten Meisterwerken wie Die Monster AG, Findet Nemo, Die Unglaublichen, Ratatouille, Wall-E, Oben oder Toy Story 3, sind sie wieder auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angekommen. Alles steht Kopf ist genau das, was das Studio so besonders und so erfolgreich macht: über alle Maßen kreativ, humorvoll, emotional und unterhaltsam, kurz: ein Meilenstein des Animationsfilms.

Alles beginnt damit, dass die kleine Riley das Licht der Welt erblickt. Das erste, was sie empfindet, ist Freude. Und damit beginnt das Leben in Rileys Kopf. Denn Freude, das ist eine hoch motivierte junge Dame mit blauen Haaren und immerzu guter Laune, die in Rileys Kopf wohnt. Zusammen mit Kummer, Ekel, Angst und Wut. Die fünf sind sozusagen Arbeitskollegen und sorgen für Rileys Emotionen. Das geht auch elf Jahre lang gut, doch auf einmal ist alles anders: Die Familie zieht aus dem winterlichen Minnesota ins warme San Francisco, wo es dem Mädchen überhaupt nicht gefällt. Und damit fangen die Probleme erst an: Kummer sorgt für Chaos in Rileys Oberstübchen und auf einmal läuft alles schief und Freude landet zusammen mit Kummer im Langzeitgedächtnis - fern ihrer Heimat und Arbeitsstätte: der Zentrale. Nun müssen die beiden ungleichen Freunde versuchen, schnellstmöglich wieder zurückzugelangen - denn momentan sind nur Angst, Ekel und Wut bei der Arbeit und sorgen dafür, dass Riley von zu Hause weglaufen möchte.

Es fällt etwas schwer, eine einfache und verständliche Inhaltsangabe von Alles steht Kopf zu liefern - denn selten gab es einen solch fantasievollen, kreativen Film, in dem fast nichts so ist, wie man es vorher schon mal gesehen hat. Pete Docter hat nach Die Monster AG und Oben noch eine Schippe drauf gesetzt und sich mit seiner wilden Achterbahn-Geschichte voller Emotionen selbst übertroffen: Von der ersten Einstellung an sprüht der Film nur so von Charme und Einfallsreichtum, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kommt: Da gibt es Erinnerungsinseln (wie die Familien-, die Freundschafts- oder die Eishockey-Insel), Rileys imaginären Freund (ein rosa Fantasiewesen, das eine Mischung aus Zuckerwatte, Elefant, Hund und Delfin ist), lustige, eierförmige Arbeiter und jede Menge schräge Dinge. Zu all der Kreativität gesellt sich dann auch noch der perfekt pointierte, großartige Humor.

Es gibt wirklich keine einzige langweilige Minute in Alles steht Kopf, es ist ein 94 Minuten andauernder Road Trip durch den Kopf eines kleinen Mädchens, bei dem pausenlos gestaunt und gelacht werden kann und der vor allem am Ende dann sogar in einem wunderschönen, emotionalen Finale gipfelt. Für die tolle Atmosphäre sorgt natürlich auch einmal mehr Michael Giacchino, der schon bei Oben einen hervorragenden Score ablieferte (und zurecht den Oscar dafür bekam) und auch diesmal große Chancen auf eine weitere Nominierung haben dürfte. Perfekt untermalt die Musik die verschiedenen emotionalen Phasen Rileys.

Und so kann man nicht anders, als zu sagen: Pixar ist wieder da. Nach anderthalb Jahren ohne neuen Film gibt es mit Alles steht Kopf nicht nur den besten Film des Studios seit Toy Story 3, sondern generell einen der besten Filme, die Pixar jemals geschaffen hat. Und wie bei Disney/Pixar üblich, gab es natürlich auch diesmal mit Lava einen Kurzfilm im Vorprogramm, der sich keinesfalls hinter seinem Hauptfilm verstecken muss. Ein einsamer, hawaiianischer Vulkan singt von der großen Liebe. Klingt schräg - ist es auch. Aber eben auch wunderschön, lustig und mit einer Schluss-"Pointe", die den Saal zum Beben brachte - wortwörtlich.

★★★★★


Originaltitel: Inside Out

Regie: Pete Docter
Co- Regie: Ronaldo Del Carmen
Drehbuch: Pete Docter und Josh Cooley & Meg LeFauve
Story: Pete Docter & Ronaldo Del Carmen und Michael Arndt & Simon Rich
Schnitt: Kevin Nolting
Musik: Michael Giacchino

Darsteller:
Amy Poehler ... Freude
Phyllis Smith ... Kummer
Bill Hader ... Angst
Lewis Black ... Wut
Mindy Kaling ... Ekel
Kaitlyn Dias ... Riley
Diane Lane ... Mutter
Kyle MacLachlan ... Vater
Richard Kind ... Bing Bong
Dave Goelz ... Frank
Frank Oz ... Dave
Flea ... Gedächtnisarbeiter Polizist Jake
John Ratzenberger ... Fritz

USA 2015, 94 Min.
Walt Disney Pictures / Pixar Animation Studios
Kinostart: 1. Oktober 2015
FSK 0

Trailer:

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