Filmkritik: Ricki - Wie Familie so ist

Meryl Streep. Viel wurde über sie geschrieben, nicht erst in den letzten Jahren, seit sie ihren dritten Oscar (für Die eiserne Lady) gewann. Seit den späten 1970er Jahren, als sie für Kramer gegen Kramer ihren ersten Goldjungen in Empfang nehmen durfte, zählt sie zu Hollywoods größten Talenten und mittlerweile sollte auch der Letzte gemerkt haben, dass Meryl Streep vermutlich die beste Schauspielerin ist, die es derzeit im Kino zu sehen gibt. Und das beweisen nicht nur ihre 19 Oscar- und 29 Golden Globe-Nominierungen (von denen sie 8 gewann - so viele wie niemand vor ihr). Mit Ricki - Wie Familie so ist unterstreicht sie ihren Status als Grand Dame des Films einmal mehr und beweist zudem, dass es anscheinend nichts gibt, was die Streep nicht kann: Denn in Jonathan Demmes Familiendrama spielt sie nicht nur Gitarre, sie singt auch - und das sogar richtig gut.

Ricki (Meryl Streep) ist Mitte 60 und mit ihrer Band Ricki and the Flash auf der Bühne in einem kleinen, kalifornischen Pub zu Hause. Als eines Tages ihr Ex-Mann Pete (Kevin Kline) anruft und ihr eröffnet, dass die gemeinsame Tochter Julie (Mamie Gummer, Meryl Streeps leibliche Tochter) von ihrem Mann verlassen wurde, kehrt Ricki nach vielen Jahren zurück nach Illinois, wo Pete und die drei Kinder leben. Wie ein Elefant im Porzellanladen stolpert die alternde Rockerin in die gehobene Wohnsiedlung und das geordnete Leben ihrer Familie hinein. Die Tochter hat einen Selbstmordversuch hinter sich, der eine Sohn wird heiraten und will Ricki nicht bei der Hochzeit dabei haben und der andere Sohn ist schwul - was Ricki nicht verstehen kann. Doch langsam aber sicher wird ihr klar, dass sie Fehler gemacht hat - und was es heißt Mutter zu sein.

Vielleicht hat Oscar-Gewinnerin Diablo Cody (Juno) ein bisschen zu viele soziale Themen in ihre Familiengeschichte gepackt, so dass das schon fast zu viel des Guten ist, aber auf der anderen Seite spielt das eigentlich keine Rolle, wenn Meryl Streep als rockige Mutter auftritt, die sich über ihre Vergangenheit bewusst wird und alles daran setzt, ihre Kinder nicht noch einmal zu verlieren. Es gibt eine Szene im Film, in der sich Ricki mit Maureen, der neuen Frau von Pete, konfrontiert sieht: Maureen wirft ihr vor, ein schlechte Mutter gewesen zu sein, macht ihr deutlich, dass ihre Kinder nichts von ihr wissen wollten und die Geschenke, die angeblich von den Kindern für Ricki verschickt wurden, allesamt von Maureen bezahlt wurden. Rickis Blick, die Reaktion einer Mutter, die dabei ist zu begreifen, wie fremd ihre Kinder ihr sind - wie sie sie geradezu verabscheut haben -, ist herzergreifend und emotional.

Und so nimmt man der 66-jährigen Streep zweifelsohne die Gitarre-spielende Rockerin ab. Aber auch Kevin Kline (der für Ein Fisch namens Wanda den Oscar gewann und schon bei Meryl Streeps zweitem Oscar-Erfolg Sophies Entscheidung an deren Seite zu sehen war) hat nichts von seinem Esprit und Charme verloren. Vor allem aber ist es Streeps Tochter Mamie Gummer, die mit ihrer unkonventionellen, natürlichen Spielweise das Publikum für sich gewinnt. Mit einer exzentrischen Mimik und viel Sarkasmus, aber auch mit einer gehörigen Portion Emotionen spielt sie die zerbrochene junge Frau, die sich gerade das Leben nehmen wollte und ihre Rettung genau in der Person findet, die sie seit Jahren versucht hat zu hassen: Ihre Mutter.

Ricki - Wie Familie so ist mag vielleicht von einer etwas ungewöhnlicheren Familie erzählen, aber das tut er auf eine sehr schöne Art, mit einem wunderbaren Cast und toller Musik. Die Golden Globe-Nominierung Nummer 30 sollte für Meryl Streep hier auf jeden Fall in greifbarer Nähe sein.

★★★★☆


Originaltitel: Ricki and the Flash

Regie: Jonathan Demme
Drehbuch: Diablo Cody
Kamera: Declan Quinn
Schnitt: Wyatt Smith

Darsteller:
Meryl Streep ... Ricki
Kevin Kline ... Pete
Mamie Gummer ... Julie
Sebastian Stan ... Josh
Rick Springfield ... Greg
Audra McDonald ... Maureen
Ben Platt ... Daniel
Hailey Gates ... Emily
Nick Westrate ... Adam

USA 2015, 101 Min.
Sony Pictures
Kinostart: 3. September 2015
FSK 12

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