Filmkritik: Split

Es ist lange her, dass M. Night Shyamalan so in aller Munde war. Als er 1999 mit gerade einmal 29 Jahren mit seinem Sensationserfolg The Sixth Sense über Nacht zum Meister des Mysteryfilms aufstieg war die Welt für den zweifach Oscar-Nominierten Inder noch in Ordnung. Es folgten mit Unbreakable, Signs und dem grandiosen The Village drei weitere finanzielle Erfolge, doch dann kam der erste große Flop, auf den drei weitere finanziell wie auch qualitativ enttäuschende Filme folgten. Deswegen rechnete auch niemand damit, dass Shyamalan mit The Visit überzeugen könnte. Doch dann wurde der für nur 5 Millionen Dollar inszenierte schwarzhumorige Schocker mit dem berühmten Shyamalan-Plottwist zum Hit und spielte das 20-fache seines Budgets wieder ein. Auch die Kritiker waren sehr angetan von dem, was sie da sahen. Der Fluch war gebrochen, die Ehre wieder hergestellt. Blieb nur die Frage, wie es mit seinem nächsten Film weitergehen sollte. Und siehe da: Split ist ein riesiger, finanzieller Erfolg: Bislang hat der für nur 9 Millionen Dollar inszenierte Film alleine in den USA schon das 10-fache seiner Kosten wieder eingespielt. Und nicht nur das Publikum scheint überzeugt zu sein - auch diesmal fallen die Kritiken wieder sehr wohlwollend aus. Und das, obwohl der Film durchaus offensichtliche Schwächen hat und nur phasenweise wirklich überzeugen kann.

In einem Film, in dem es um einen psychisch kranken Mann geht, der zwei Dutzend verschiedener Identitäten hat - vom kleinen Kind über den aggressiven Mann bis hin zur strengen Dame - steht und fällt alles mit dem Protagonisten: Und der wird exzellent von James McAvoy dargestellt. Dem sympathischen Schotten gelingt die Gratwanderung zwischen kindisch-lustig und düster-brutal sehr überzeugend. Auch Anya Taylor-Joy kann als junge Einzelgängerin mit gut gehütetem Geheimnis überzeugen - schon in The Witch war sie eine Bereicherung für einen ansonsten nicht gänzlich gelungenen Film. Denn auch wenn die Geschichte um jene dissoziative Identitätsstörung anfänglich noch interessant war, verrennt sich Shyamalan in der Filmmitte ein wenig in Belanglosigkeiten. An wirklich spannenden Szenen mangelt es leider ein wenig und als das Geheimnis um die 24. Identität, das so genannte Biest, schließlich enthüllt wird, setzt doch ein wenig Ernüchterung ein: Warum das bis dahin sehr glaubwürdige Skript auf einmal übernatürliche, fantastische Züge annimmt, bleibt bis kurz vor Beginn des Abspanns unklar (wer dazu mehr wissen will, kann sich weiter unten die kurze Spoiler-Analyse zum Film durchlesen) - und schadet dem Film am Ende dennoch mehr, als es ihm genutzt hätte. Dass der handlungsnahe, große Plottwist, wie man ihn nun eben von Shyamalans The Sixth Sense oder The Village kannte, mehr oder weniger ausbleibt, ist zudem eine kleine Enttäuschung. Zu guter Letzt fehlt dann auch noch James Newton Howard - der von Anfang an zu jedem einzelnen Film von Shyamalan den Score komponierte und hier erstmals (in The Visit gab es auf Grund des Found Footage-Stils keine instrumentale Filmmusik) nicht beteiligt war.

So ist Split ein ordentlicher Film des indischen Filmemachers, der qualitativ nicht mit dem Niveau mit The Village oder The Sixth Sense mithalten kann, aber dennoch - allem voran dank James McAvoy - zu unterhalten weiß. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, was Shyamalan als nächstes zu bieten hat.

Spoilerwarnung: Der folgende Abschnitt bespricht detailliert das Filmende von Split:
Nachdem James McAvoys Charakter entkommen konnte und das überlebende Mädchen gerettet wurde springt der Film auf einmal in eine Bar, in der mehrere Gäste einen Fernsehbeitrag über die Ereignisse sehen. Eine junge Frau erkennt darin Ähnlichkeiten zu Verbrechen, für die vor 15 Jahren ein Mann im Rollstuhl verantwortlich war, woraufhin kein geringerer als Bruce Willis erscheint und den Namen jenes von Samuel L. Jackson gespielten Mannes Figur - Mr. Glass - aus Shyamalans zweitem Film Unbreakable nennt. Wer Unbreakable nun nicht kennt kann mit diesem Twist rein gar nichts anfangen. Alle anderen im Kinosaal werden mit offenem Mund ein leises What the heck von sich geben und verstehen, dass beide Filme offensichtlich im selben Filmuniversum spielen - und man nun davon ausgehen könnte, dass in einer weiteren Geschichte dieses Filmuniversums Bruce Willis' David Dunn nun Jagd auf James McAvoys Charakter macht und auch Samuel L. Jacksons Mr. Glass wieder auftauchen könnte. Wo der Regisseur keinen Twist zur eigentlichen Filmhandlung vorweisen konnte, legt er hiermit allerdings gewaltig nach. Man darf in jedem Fall gespannt sein, wie es hier weitergeht...  
★★★☆☆


Originaltitel: Split

Regie: M. Night Shyamalan
Drehbuch: M. Night Shyamalan
Kamera: Mike Gioulakis
Schnitt: Luke Franco Ciarrocchi
Musik: West Dylan Thordson

Darsteller:
James McAvoy ... Dennis / Patricia / Hedwig / The Beast / Kevin Wendell Crumb / Barry / Orwell / Jade
Anya Taylor-Joy ... Casey
Betty Buckley ... Dr. Karen Fletcher
Haley Lu Richardson ... Claire
Jessica Sula ... Marcia
Brad William Henke ... Onkel John
Izzie Coffey ... Casey (5 Jahre)
M. Night Shyamalan ... Jai

USA 2016, 117 Min.
Universal Pictures
Kinostart: 26. Januar 2017
FSK 16

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