Filmkritik: An Education


"If you never do anything, you never become anyone", sagt Jenny (Carey Mulligan) im Laufe des Films und hat damit Recht. Natürlich hat sie damit Recht. Doch die Umstände sind es, die ihr diese Wort so schwerfällig in den Mund gelegt haben. Als strebsame Musterschülerin im 1962er London trifft sie auf den Lebensmann David, der sich als Musik- und Kunstliebhaber entpuppt und trotz des großen Altersunterschieds auf ein Wiedersehen mit der süßen Jenny besteht. Langsam aber sicher zeigt sich, dass Jenny von dem schwerelosen Leben des Weltreisenden sichtlich beeindruckt ist - und damit stürzt sie ihr Leben (und das ihrer Eltern) in einen großen Scherbenhaufen: Sie vernachlässigt die Schule und bricht diese gänzlich ab, nachdem sie kein Empfehlungsschreiben für die Oxford University bekommen und David ihr einen Heiratsantrag gemacht hat.


Ob vor 50 Jahren oder heute: Mach etwas aus deinem Leben, sonst wird nichts und niemand aus dir. Diese Binsenweisheit hatte gerade zur Zeit, in der An Education angesiedelt ist, natürlich eine andere Wirkung, denn damals war es durchaus normal, dass die Mädchen nach der Schule weder Ausbildung noch Studium begannen, sondern heirateten und den Ehemann das Geld verdienen ließen. Doch Jenny will eigentlich mehr von ihrem Leben - oder auch nicht? In einem sehr gelungenen Streitgespräch zwischen ihr und ihrer Lehrerin (Olivia Williams), und anschließend der Schulleiterin (Emma Thompson), geht es um die "Langeweile" während des Studiums und des Berufslebens. Warum sich dieser Langeweile aussetzen, wenn man frei sein, die Welt bereisen und in feinen Restaurants speisen kann? Die Antwort gibt sich Jenny im weiteren Filmverlauf selber: "If you never do anything, you never become anyone."

Die 24jährige Carey Mulligan spielt Jenny so abartig gut, dass man ihr den Oscar (für den sie wohlverdient nominiert ist) im Grunde zweimal hinterher schmeißen müsste: Ihr Lächeln bringt einen einfach zum Zurücklächeln, man sitzt im Kino und grinst die Leinwand an. Ihre Stimme lässt die englische Sprache dank ihrer feinen Aussprache hochleben und ihre Ausstrahlung haut einen einfach um. Wie aus dem Nichts kam die junge Engländerin und erobert nun im Flug die Welt: Nach ihrer ersten kleinen Rolle in Joe Wrights Stolz und Vorurteil folgten mehrere TV-Serien, bevor sie die Rolle der Jenny angeboten bekam. Noch in diesem Jahr folgen fünf weitere Filme mit ihr, darunter der Thriller Never let me go mit Keira Knightley, der Kriminalfilm Brighton Rock mit Helen Mirren und John Hurt sowie die Fortsetzung von Oliver Stones Wall Street mit Michael Douglas und Shia LaBeouf. Nichts für ungut, aber: Wie gut muss Sandra Bullock in Blind Side sein, damit sie Mulligan den Oscar streitig machen könnte? Den Golden Globe hat sie schon mal nicht bekommen - Sportfilme sind einfach ein Liebling der Amerikaner.
Doch nicht nur Mulligan spielt großartig. Der bis in die Nebenrollen toll besetzte Film lässt beispielsweise Alfred Molina zu seiner vielleicht besten Darstellung aufblühen: Als Vater von Jenny beweist Molina gleichermaßen Humor und Machtstellung und wurde zurecht mehrfach für verschiedene Filmpreise nominiert, darunter den BAFTA. Der Amerikaner Peter Sarsgaard spielt den Lebemann David ebenfalls toll - undurchsichtig aber liebevoll.

Technisch ist der britische Film, der für insgesamt 3 Oscar nominiert wurde, ebenfalls einwandfrei, egal ob die schönen Bilder der 60er Jahre, die Ausstattung, die Kostüme, die wundervolle Musik - An Education ist von der ersten Minute an ein großer Spaß, erstklassig gespielt und inszeniert und ein Film, den man am liebsten sofort noch einmal sehen würde. Und er ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Briten zu den besten Filmemachern der Welt gehören. Oder um es konkreter zu sagen: Nach spätestens fünf Filmminuten weiß man, dass es sich um einen britischen und nicht um einen amerikanischen Film handelt. Und das nicht nur auf Grund der Tatsache, dass scheinbar fast jeder britische Film in London spielt.

★★★★☆


Regie: Lone Scherfig

Drehbuch: Nick Hornby nach Lynn Barbers Memoiren

Darsteller:
Carey Mulligan ... Jenny
Peter Sarsgaard ... David
Alfred Molina ... Jack
Olivia Williams ... Miss Stubbs
Dominic Cooper ... Danny
Rosamund Pike ... Helen

Trailer:

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