Filmkritik: American Hustle

David O. Russell kann wahrlich glücklich und zufrieden sein: Während er bis zum Jahr 2010 lediglich als Regisseur der Kriegssatire Three Kings und der Indie-Komödie I Heart Huckabees bekannt war, gelang ihm wie aus dem Nichts (sein letzter Film lag da immerhin schon sechs Jahre zurück) mit The Fighter einer der eindrucksvollsten Filme der Dekade, brachte Mark Wahlberg die Eintrittskarte ins dramatische Schauspielfach und Christian Bale und Melissa Leo den jeweils ersten, wohlverdienten Oscar. Mit Silver Linings verhalf Jennifer Lawrence zu einem Oscar und erntete noch sieben weitere Nominierungen. Nun, mit seinem aktuellen Film American Hustle, scheint er dem noch die Krone aufzusetzen: Mit 10 Oscarnominierungen geht die Kriminalkomödie an den Start und scheint somit durchaus nicht chancenlos bei der kommenden Preisverleihung zu sein.

Die nach wahren Motiven angelegte Geschichte erzählt die wahnwitzigen Ermittlungen eines FBI-Agenten (Bradley Cooper), der ein Gauner-Pärchen (Christian Bale und Amy Adams) dazu zwingt, ihm bei der Überführung von korrupten Politikern zu helfen. Probleme machen dabei nicht nur der herzensgute Bürgermeister (Jeremy Renner), gemeingefährliche Killer (Robert DeNiro) und Bales Filmehefrau (Jennifer Lawrence), sondern vor allem der übergeschnappte FBI-Agent selbst. Um nicht lange um den heißen Brei herumzureden: Das Drehbuch von Russell und Eric Warren Singer ist der vielleicht einzige Punkt am Film, den man bemängeln könnte. Irgendwie ist das alles nicht sonderbar neu, nicht wahnwitzig kreativ, wirklich phasenweise gar ein wenig wirr und sprunghaft. Die Geschichte um einen FBI-Coup, korrupte Politiker oder sympathische Gauner ist so alt wie das Kino selbst und schon dutzende Mal (mehr oder weniger gut) verarbeitet worden. So muss man sich nach 138 Minuten eingestehen, einen inhaltlich nicht unbedingt einzigartigen Film gesehen zu haben.

Was American Hustle nun aber so gut macht, sind die brillanten Schauspielleistungen. Prinzipiell hätte Christian Bale hier seinen zweiten Oscar verdient, doch die Konkurrenz ist in diesem Jahr so stark wie lange nicht mehr. Bale agiert mit einer unglaublichen Spielfreude - wie im Übrigen seine Kolleginnen und Kollegen ebenso. Amy Adams hat in diesem Fall vielleicht sogar das Glück, dass das weibliche Hauptrollen-Feld in diesem Jahr nicht ganz so stark ist, weswegen sie im Zweikampf mit Cate Blanchett auf der Zielgeraden zu ihrem ersten Oscar sein dürfte - verdient hätte sie ihn allemal, nachdem sie zuvor schon viermal erfolglos nominiert war. Jennifer Lawrence hat es geschafft, sich in kürzester Zeit ins Herz von Kritikern und Zuschauern zu spielen: Ihre labile Mutterrolle mit Putzfimmel spielt sie zwar schon an der Grenze zum Overacting, was den Spaß allerdings nicht mindert und ihr auch schon den Golden Globe eingebracht hat. Und auch der vierte im Bunde, Bradley Cooper, ist für einen Oscar nominiert: Als immer mehr aus der Bahn geratener FBI-Agent hat er vermutlich die meisten Lacher auf seiner Seite, spielt aber - so viel Ehrlichkeit muss sein - nicht in derselben Liga wie Christian Bale und dürfte auch die geringsten Oscar-Chancen haben.

Abgesehen von den Darstellern sind allerdings vor allem noch die Kostümauswahl, das Setting und die Musik allesamt großartig. Bei der Damenmode werden vermutlich männliche wie weibliche Zuschauer stutzig (und die jüngeren Betrachter werden fragen sich, ob man in den 1970er Jahren wirklich so auf der Straße rumgelaufen ist), dafür sind Frisuren und Gesichtsbehaarungen der Männer nicht weniger auffällig und amüsant. Alles scheint zu leuchten und zu glitzern, Russell gelingt es hier wirklich, eine schillernde Atmosphäre aufzubauen, in der selbst die Gauner schick und elegant gekleidet waren, fetzige Musik (der Score stammt vom großen Danny Elfman) die Abende begleitete und große Autos, Schmuck und Glücksspiel noch andere Stellenwerte besaßen als heute.

American Hustle ist großes Schauspielkino, optisch eine Wucht und musikalisch ein Fest zum Mittanzen. Wäre die Geschichte ein wenig außergewöhnlicher geraten, hätten die (manchmal mit Hang zum Overacting agierenden) Darsteller auch mal einen Gang herunterschalten können, um Platz für eine besondere Note in der Handlung zu machen. David O. Russell ist aber in jedem Fall der dritte äußerst sehenswerte Film in Folge gelungen, was nur noch die Frage aufwirft, ob er das mit seinem nächsten Projekt noch einmal wiederholen oder gar toppen kann.

★★★★☆


Originaltitel: American Hustle


Darsteller:
Christian Bale ... Irving Rosenfeld
Amy Adams ... Sydney Prosser
Bradley Cooper ... Richie DiMaso
Jennifer Lawrence ... Rosalyn Rosenfeld
Jeremy Renner ... Carmine Polito
Louis C.K. ... Stoddard Thorsen
Jack Huston ... Pete Musane
Robert DeNiro ... Victor Tellegio
Alessandro Nivola ... Anthony Amado
Michael Pena ... Paco Hernandez / Scheich Abdullah
Elisabeth Röhm ... Dolly Polito
Said Taghmaoui ... Irvings Scheich Plant


USA 2013, 138 Min.
Tobis
Kinostart: 13.02.2014
FSK 6

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