Filmkritik: Alice im Wunderland

Für gewöhnlich ist es schon eine Freude zu lesen, dass Tim Burton (Sleepy Hollow) und Johnny Depp (Fluch der Karibik) zusammen einen neuen Film drehen. Im Falle von Alice im Wunderland hielt sich meine Vorfreude allerdings schon immer in Grenzen - als hätte ich es geahnt. Ich sollte mit meiner zurückhaltenden Vorfreude Recht behalten. Der erste Trailer war spaßig, mehr aber auch nicht. Dass der Film in 3D in die Kinos kommen sollte, machte das Ganze auch nicht viel interessanter.

Alice steht kurz vor ihrer Verlobung - was schon den ersten bedeutsamen Unterschied zu bisherigen Verfilmungen angibt: Alice ist älter, sie war schon einmal im Wunderland. Nun, Jahre später, träumt sie jede Nacht davon, weiß aber nicht, dass dies kein Traum, sondern eine Erinnerung ist. Kurz darauf findet sie sich im Wunderland wieder, doch nichts ist mehr, wie es einmal war. Die böse Rote Königin hat die Macht an sich gerissen und nur Alice kann der Weißen Königin und den schrägen Bewohnern des Wunderlands helfen: Dazu muss sie einen Drachen besiegen - und nur sie kann dies tun.

Von Anfang an ist klar, wie der Hase läuft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt keinerlei Überraschungen in der Geschichte, keine Wendungen, keinerlei Spannung. Kreuzbrav schlägt sich Alice ihren Weg von Hindernis zu Hindernis um am Ende das Böse zu besiegen. Dabei verhalten sich alle Figuren so erzkonservativ und konventionell, dass es ein Graus ist. Gut ist gut und böse ist böse. Die Charaktere sind teilweise extrem nervig - und dabei nicht einmal richtig schräg. Selbst in der Disney Zeichentrickfassung gab es mehr Skurrilität. So ist der irre Hase mit der Teetasse noch der wirrste (und beste) Charakter, alle anderen nerven mehr als dass sie unterhalten. Johnny Depps Hutmacher ist einer von ihnen. Möchte man meinen, dass der Superstar wie perfekt in die Rolle passt, merkt man schon bald, dass er höchst gelangweilt agiert und zu keiner Zeit auch nur annähernd an seine Leistungen in Filmen wie Fluch der Karibik, Sleepy Hollow oder Charlie und die Schokoladenfabrik herankommt. Auch die Tatsache, dass Disney mit ihm als Hauptdarsteller wirbt, ist mehr als lächerlich. Er ist nicht mehr als eine Nebenfigur, die genau eine gute Szene hat. Helena Bonham Carter ist die einzige im Cast, die zu überzeugen weiß, hat sie auch die dankbarste Rolle von allen: die mehr oder weniger böse Rote Königin. Die Momente mit ihr sind die besten des Films. Anne Hathaway wirkt fehlbesetzt und unterfordert, Mia Wasikowska als Alice ist nett - mehr aber auch nicht. Keine Heldin, der man "bis in den Tod" folgen würde.

Optisch erscheint das Wunderland auf den ersten Blick sehr ansprechend zu sein, doch mit der Zeit realisiert man, dass es viel zu überladen ist. Es kommt nur phasenweise so etwas wie Atmosphäre auf, was daran liegt, dass einfach alles unrealistisch wirkt. Fast kein einziges Set im Wunderland, nicht mal in den Innenszenen der Schlösser, hat auch nur ansatzweise eine halbwegs gelungene Atmosphäre, was höchst bedauerlich ist. Ebenso bedauerlich und geradezu unveschämt störend ist die Tatsache, dass dem Zuschauer alle Nase lang etwas ins Gesicht fliegt um auch ja den 3D-Effekt auszunutzen. Genau das ist die Zukunft des 3D-Kinos, die ich auf keinen Fall möchte. 3D ist großartig, wenn es nicht zu Jahrmarktzwecken missbraucht wird. Wie das funktioniert haben Filme wie Avatar und Oben schon eindrucksvoll demonstriert. Aber dass ununterbrochen etwas auf den Zuschauer zugeflogen kommt oder zugeschmissen wird - das nervt und das will ich als Zuschauer nicht sehen. Es lenkt nämlich einfach nur von der Geschichte ab.

Im Falle von Tim Burtons Alice im Wunderland ist das allerdings kaum möglich, denn groß abgelenkt kann man hier nicht werden. Die Langeweile zieht sich bis zum Ende hin durch und sogar der im Grunde nett gemachte Endkampf ist so extrem konventionell geraten, dass es weh tut. Burton mussten hier einfach die Hände gebunden gewesen sein, oder er musste noch einen Vertrag erfüllen (was - man hört es so munkeln - wohl sogar der Wahrheit entspricht, damit er bei Disney Frankenweenie realisieren darf), anders kann man sich dieses Resultat nicht erklären. Und nicht einmal Danny Elfmans Score überzeugt. Lieblos und überhaupt nicht auffallend plätschern die Töne vor sich hin - eine Schande für ein musikalisches Genie wie Elfman.

Was bleibt ist das große Fragezeichen. Wie konnte bei so einem tollen, vielversprechenden Team vor und hinter der Kamera ein so konventioneller, langweiliger Film entstehen, der unverschämt unspektakulär und für eine Alice-Verfilmung von Tim Burton überraschend "unskurril" geraten ist? Fakt ist, dass man sich königlich langweilt, sobald man das Wunderland betreten hat. Dennoch sollte man den Film in 3D gesehen haben, denn unverkennbar wurde er genau dafür gedreht. Wenn mir schon dauernd was ins Gesicht fliegt, dann doch auch bitte dreidimensional. Denn in 2D wirkt das wahrscheinlich nicht nur nervig - sondern auch noch gänzlich sinnlos. Der gute Wille war da, die guten Ansätze sind vorhanden. Doch das reicht hier einfach nicht. Ein ärgerliches, langatmiges Erlebnis, das man sich getrost sparen kann.

★☆☆☆


Originaltitel: Alice in Wonderland

Regie: Tim Burton
Drehbuch: Linda Woolverton nach Lewis Carrolls Roman
Kamera: Dariusz Wolski

Darsteller:
Mia Wasikowska ... Alice
Johnny Depp ... Hutmacher
Helena Bonham Carter ... Rote Königin
Anne Hathaway ... Weiße Königin
Crispin Glover ... Stayne
Alan Rickman ... Blaue Raupe

USA 2010, 108 Min.
Walt Disney Pictures
Kinostart: 04.03.2010
FSK 12

Trailer:

Kommentare

  1. Das hätte ich nicht erwartet. Ich meine, Tim Burton hat mich noch nie so gereizt, aber bei der Alice-Verfilmung habe ich schon aufgehorcht. Umso enttäuschender, dass der Film so ein Reinfall zu sein scheint.

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  2. Tim Burton ist einer meiner absoluten Lieblingsregisseure, ich vergöttere beinahe jeden seiner Filme - aber das hier. Das war Bullshit. Und zwar brechend langweiliger.

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