Filmkritik: Im August in Osage County

Familie. Was ist das eigentlich? Ein Haufen sich gegenseitig beleidigender, wütender Menschen, voller dreckiger, kleiner und großer Geheimnisse voreinander? Nun, die ideale Familie ist das nicht. Doch welche Familie ist schon perfekt? In Tracy Letts Theaterstück, das die Grundlage zu John Wells Ensemblefest Im August in Osage County bildet, ist die Familie, um deren Schicksale sich die Geschichte dreht, alles andere als perfekt. Im Gegenteil: Hier geht eigentlich alles schief, was nur schiefgehen kann und am Ende hat fast niemand etwas dazugelernt, ein wirkliches Happy End gibt es hier nicht.

Der große Stärke des Films ist zweifelsohne sein großartiges Starensemble: Meryl Streep triumphiert einmal mehr, diesmal in der Rolle von Familienoberhaupt Violet, einer krebskranken Witwe, deren Mann sich gerade auf einem See ertränkt hat. Mit gewohnter Hingabe und Perfektion überzeugt die Grand Dame des amerikanischen Kinos erneut und hätte auch in diesem Jahr ihren nächsten Oscar verdient gehabt. Julia Roberts dagegen ist schon eine ganze Klasse darunter, aber für die Tatsache, dass Roberts in den letzten Jahren nicht viele Höhepunkte in ihrer Karriere vorweisen kann, war auch ihre Leistung durchaus bemerkenswert. Doch wieder einmal ist es Ewan McGregor, der von der Oscar-Jury übersehen wurde. Als Roberts Filmehemann überzeugt der Schotte wie immer in seiner Rolle und zeigt einmal mehr, dass er auch ein Leading-Man ist. Das gleiche gilt für den großartigen Chris Cooper, der auch in all seinen aktiven Jahren nie an Qualität und Kraft verloren hat. Und dann sind da noch Julianne Nicholson und Benedict Cumberbatch als naiv verliebtes Pärchen, die einige wundervolle Momente im Film haben, die noch länger im Gedächtnis bleiben werden.

Was dagegen zum Ende hin leider etwas unglaubwürdig wurde, war die Masse an Geheimnissen, Tragödien und schicksalhaften Ereignissen, die hier in einer einzigen Familie an den Tag gebracht wurden. Krebs, Drogen, Pillen, Alkohol, Inzest, Pädophilie, Ehebruch, Scheidung, Selbstmord, Erbstreit, Rassismus. Alles, was es an gesellschaftlichen Abgründen aufzutreiben gibt, findet sich hier wieder. Das ist durchaus glaubhaft inszeniert und auch bis zum Schluss packend (gespielt) - aber irgendwann muss man sich dann doch als Zuschauer mal fragen, wie kaputt eine einzelne Familie eigentlich sein kann. Weniger wäre eventuell mehr gewesen - wobei das durchaus als Jammern auf hohem Niveau ist.

Im August in Osage County bietet aber glücklicherweise ein halbes Dutzend großartiger Schauspielleistungen in einem einzigen Film, hat einen gewohnt schönen, ruhigen Score des zweifach Oscar-prämierten Argentiniers Gustavo Santaolalla (Babel, Brokeback Mountain, Die Reise des jungen Che) und viele wunderbare, amüsante wie auch emotionale Dialoge.

★★★★☆


Originaltitel: August: Osage County

Regie: 
Drehbuch:   nach dem gleichnamigen Theaterstück
Kamera: Adriano Goldman
Musik: Gustavo Santaolalla

Darsteller:
 ... Violet
 ... Barbara
 ... Bill
 ... Charlie
 ... Little Charlie
 ... Ivy
 ... Beverly
 ... Jean
 ... Karen
 ... Steve
 ... Matty Fae
 ... Johnna

USA 2013, 121 Min.
Tobis Film
Kinostart: 06.03.2014
FSK 12

Trailer:

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